: Zweifelhafte Passbeschaffung
ASYL Um ihn abzuschieben, wurde ein Asylbewerber bei offenbar korrupten Kommissionen vorgeführt. Nun stoppte das Verwaltungsgericht eine neue Zwangsvorführung
von Christian Jakob
Der Asylbewerber Ila B. muss sich nicht zwangsweise bei einer Kommission sierra-leonischer Beamter in Berlin vorführen lassen. Am Freitag hat das Verwaltungsgericht einem Eilantrag von B. gegen die Bremer Ausländerbehörde stattgegeben. Der Beschluss stellt dem Stadtamt kein gutes Zeugnis aus: Das „gesamte Verfahren zur Passbeschaffung aus Sierra Leone“ erscheine „undurchsichtig und zweifelhaft“, heißt es dort. Die Zusammenhänge von Zahlungen an die Botschaft Sierra Leones für die Ausstellung solcher Papiere seien „ nicht plausibel“. Überhaupt seien „Zweifel“ über die Rechtmäßigkeit der Vorführung vor solche Delegationen aus afrikanischen Länder laut geworden, schrieben die Richter. Es gebe den Verdacht, dass die Anerkennung von Ausländern als eigene Staatsangehörige und die darauf folgende Ausstellung von Passersatzpapieren auf Bestechung beruhen könnten.“
Der 26-jährige B. hatte 2002 bei seiner Einreise nach Deutschland angegeben, aus dem von einem heftigen Bürgerkrieg erschütterten Sierra Leone zu stammen und deshalb Asyl beantragt. Das Bundesamt für Migration lehnte seinen Antrag ab, B. sollte Deutschland verlassen. Damit begann für ihn eine Odyssee: Denn B. hatte keinen Pass, und um ihn abschieben zu können, musste die Ausländerbehörde ihm erst einen beschaffen.
Zuerst führte sie ihn dafür in der Botschaft Sierra Leones vor. Doch die mochten B. nicht zurücknehmen: Die Diplomaten verweigerten die Ausstellung eines Passes und behaupteten, B. können ebenso gut aus Guinea stammen.
Ein Jahr später versuchte es die Ausländerbehörde bei einer zweifelhaften Kommission guineischer Beamter, die die Hamburger Ausländerbehörde extra eingeflogen hatte. Von ihnen erhoffte man sich Ausreisepapiere für abgelehnte Asylbewerber mit umstrittener Herkunft. Die guineische Botschaft in Berlin distanzierte sich ausdrücklich von dieser Kommission. Später wurde bekannt, dass die Behörden hohe Summen für die durch die Dienste der Kommission beschafften Papiere bezahlten. Im Fall von Ila B. hatten sie aber Pech: Die Kommission entschied, dass er „kein Staatsangehöriger Guineas“ sei.
Das gleiche Spiel wiederholte sich mit einer Komission von Beamten aus dem westafrikanischen Gambia im Februar 2009 – und endete wieder mit einer Schlappe für die Behörde: B. sei „kein Staatsangehöriger Gambia“, sondern stamme „möglicherweise aus Guinea oder Sierra Leone“, entschieden die Beamten. Wieder gab es keinen Pass.
Im September wollte die Behörde einen neuen Versuch unternehmen, Ila B. endgültig loszuwerden. In den Räumen des Berliner Ordnungsamtes sollte er wieder bei einer Kommission von Beamten aus Sierra Leone sein. Allerdings offenbar keine direkten Konsularbeamten – denn die hatten B. ja schon vor Jahren als Nicht-Sierra Leoner eingestuft. Stattdessen werde es sich um „Personal der Vertretung oder andere Bedienstete“ handeln, schrieb die Ausländerbehörde. Den Richtern war das zu schwammig: Es sei „nicht erkennbar, ob und in wie weit es sich hier um autorisierte Vertreter des Staates Sierra Leone handelt.“ Und weil es den begründeten Verdacht gebe, dass die Bundespolizei in der Vergangenheit von sierra leonischen Beamten „gegen Handgeld“ so genannte „Emergeny Travel Certificates“, eine Art Einmal-Paß für Abschiebungen gekauft hat, braucht B. sich vorerst nicht mehr vorführen zu lassen.