Im Schlick erstickt: Artenschutz für Schiffbauer

In der Opposition waren die Grünen für die Verlegung der Kreuzfahrtschiff-Werft an die See. Jetzt machen sie sich vor allem Sorgen um Arbeitsplätze im Emsland.

Meyer baut Ozeanriesen, wo es Sinn macht. Nur das Ufer stört. Bild: dpa

Viele Hoffnungen verbanden sich in Sachen Naturschutz mit der neuen rot-grünen Landesregierung Niedersachsens. Nach 100 Tagen im Amt besuchte der grüne Umweltminister Stefan Wenzel in der vergangenen Woche die Ems. Er wollte sich über den ökologischen Zustand des Flusses informieren. Wenzel besuchte die neue Außenbehörde des Bundes, die für die Bundeswasserstraße Ems zuständig ist. Jedes Jahr setzt sie für Ausbauten am und im Fluss Millionen Euro buchstäblich in den Sand. Er sprach beim NLWKN vor, dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz. Das ist die Planungsbehörde und Betreiberin des Emssperrwerkes bei Gandersum. Er besuchte den Landrat des Landkreises Leer, Bernhard Bramlage, der Maßnahmen zur ökologischen Stabilisierung der Ems strikt ablehnt, sobald sie zulasten der Landwirtschaft gehen. Und er besuchte seine grünen Freunde von der Bürgerinitiative „Rettet die Ems“. Was er dort erfuhr? Dass die Ems erstickt.

Die Ems stirbt, seit die Papenburger Meyer-Werft ihre Luxus-Kreuzfahrtschiffe aus dem Binnenland durch die Ems in die Nordsee bugsiert. Dafür waren in den vergangenen 20 Jahren notwendig: vier Emsvertiefungen, Begradigungen, das Abholzen der Auenwäldchen und regelmäßige Baggerungen. Die Folge: Die Ems kann den Schlick nicht mehr abtransportieren, für Monate im Sommer sind Abschnitte des Flusses ohne Sauerstoff. Alles Leben erstickt. Naturschutzbelange finden keine Beachtung.

Der Minister könnte das wissen. Grüne Parteifreunde waren maßgeblich am Widerstand gegen die Zerstörung der Ems beteiligt. Seit 20 Jahren. Trotzdem sagt Stefan Wenzel im Pressegespräch über die Meyer-Weft – nichts. Das sei „nicht zielführend“, meint er. „Alle Gesprächspartner sind sich einig, dass wir für die Ems was tun müssen“, sagt der Umweltminister staatsmännisch. „Wir wollen die Gewässergüte verbessern.“

Der Fluss: Die Ems entspringt zwischen Bielefeld und Paderborn und mündet nach gut 370 Kilometern im Dollart in die Nordsee. Dabei passiert sie Papenburg, Leer und Emden.

Die Natur: Die Unter und Außenems gehören zu den Gebieten, die nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU als wichtige Lebensräume zu schützen sind.

Das Sperrwerk: Bei Gandersum ging 2002 ein Sperrwerk in Betrieb, das die Mündung bei Sturmfluten schließen kann. Außerdem wird es genutzt, um die Ems zu stauen, so dass die Papenburger Meyer-Werft ihre großen Kreuzfahrtschiffe zur Nordsee lotsen kann. Naturschützer sehen die Aufstauung kritisch.

Vertiefung: Im März hat die Wasser und Schifffahrtsdirektion Nordwest den Planfeststellungsbeschluss für eine weitere Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne unterzeichnet.

32000L0060:DE:NOT:Das ist EU-Recht. Danach darf kein Eingriff in ein Gewässer vorgenommen werden, wenn sich die Wasserqualität dadurch verschlechtern würde. Ob er solche Eingriffe zukünftig für die Ems ausschließt? Minister Wenzel: „Wir wollen keine Arbeitsplätze gefährden.“

Obwohl die BI „Rettet die Ems“ – im Einklang mit grünen Landtagsabgeordneten – immer wieder gefordert hat, die Meyer-Werft für die Endproduktion ihrer Luxusliner an die Nordsee zu verlegen, ist in ihrer Presseerklärung die Werft kein einziges Mal erwähnt. Der Text ist deckungsgleich mit den Aussagen des Ministers.

Zurzeit prüft das Forschungs und Technologiezentrum in Kiel alle Hilfsmaßnahmen für die Ems. Das Gutachten kostet etwa 100.000 Euro – zahlen werden der Bund und das Land Niedersachsen. Das Ergebnis wird 2014 erwartet. „Jede Lösung wird kompliziert und teuer“, sagt Umweltminister Stefan Wenzel. „Das heißt, da passiert erst mal nix“, kommentiert ein Mitglied der Lenkungsgruppe Ems in der niedersächsischen Staatskanzlei. Und weiter: „Die Entscheidung, ob, wie und wann etwas für die Ems getan wird, ist mehr eine politische als eine fachliche Sache.“

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