: Gut ist, was keinen Sinn ergibt
ABSURDITÄTEN Bekannt geworden ist der Autor Tao Lin durch seinen Blog Reader of Depressing Books. „Gute Laune“ heißt nun seltsamerweise sein erster Roman – Coming-of-Age-Fantasien eines Antihelden
Auf einen echten Plot verzichtet dieser amüsante Debütroman mit dem irreführenden Titel „Gute Laune“. Dem Autor geht es eher um die Darstellung einer Stimmung, die tief von einer überbordenden Melancholie geprägt ist, einer typischen Coming-of-Age-Stimmung. Es geht um Irrungen und Wirrungen, wie man sie von Salingers Holden Caulfield kennt, der für den Protagonisten des 1983 in Virginia geborenen Tao Lin unverkennbar Pate steht.
Tao Lins Anti-Held Andrew ist Pizza-Bote in Orlando, Florida, wo er unglücklich verliebt und sowieso hilflos einsam und total unzufrieden vor sich hin vegetiert. Den Weltschmerz seines Helden würzt der heute in Brooklyn lebende Autor durchweg mit einem ordentlichen Schuss bissiger Ironie. Und nicht nur das, er führt das Befinden seines Helden nach und nach ad absurdum und lässt dessen Wahrnehmung komplett ins Surreale abdriften.
Bekannt geworden ist Tao Lin durch sein Blog Reader of Depressing Books, für das er bei zahlreichen Fans Kultstatus genießt, aber auch heftig angefeindet wurde. Der New Yorker Szene-Star schreibt heute für verschiedene Internetseiten, publiziert Lyrik und Shortstories und zeichnet mitunter auch weinende Hamster. Seinen Bloggerstil spürt man auch in seinem Roman, in den stakkatoartig geschriebenen Sätzen, dem trockenen Humor und den Kommentaren zu Themen und Figuren aus dem Zeitgeschehen, vom Terrorismus über Biosojamilch bis zum Schauspieler Elijah Wood, der zum Objekt vielfältiger obskurer Fantasien avanciert.
In „Gute Laune“ wimmelt es von literarischen Anspielungen und Assoziationen, die nie aufdringlich, nie plagiiert, sondern immer variiert und passend eingefädelt auftauchen. Da gibt es Reminiszenzen an die Drogenträume der Beatniks, Auftritte von Salman Rushdie, absurde Dialoge à la Beckett, surreale Fantasien, und irgendwie steckt überall auch ein bisschen Woody Allen drin. Den amerikanischen Präsidenten lässt der provokante Autor über absurde Literatur reflektieren: „Das Leben ist sinnlos. Das weiß doch jeder. Nehmt nur Fernando Pessoa. Er wusste am allerbesten, dass das Leben sinnlos ist. Aber er machte sich pausenlos Gedanken.“ Der komischen Wirkung des Absurden ist sich der intelligente Autor mehr als bewusst. Immer wieder streut er Hinweise, die sein Schreibkonzept nicht nur verräterisch andeuten, sondern haarscharf auf den Punkt bringen. Etwa in den ästhetischen Urteilen von Andrews einzigem Freund und Leidensgenossen: „Das war gut, dachte Steve. Es ergab keinen Sinn.“
Eeeee Eee Eeee
Tatsächlich kratzt sich der Leser immer wieder am Kopf und staunt über die durchgeknallten Einfälle des Autors – spätestens, wenn ihm im Text gänzlich unvermittelt die ersten Tiere begegnen. Zum Beispiel die Philosophie der Elche: „Manchmal, wenn die Elche gerade schliefen, spürten sie plötzlich etwas. Sie wachten auf und da war ein Bär, der ihnen eine klatschte. Aber sie wurden nicht wütend. Die Elche machten sich in diesem Jahr keine Illusionen. Sie wussten, es gab bestimmte Tatsachen …“
Im Original heißt „Gute Laune“ übrigens „Eeeee Eee Eeee“. So klingen die depressiven Rufe der Delfine, die im Roman Elijah Wood töten wollen. Weil er so klein und daher leicht zu töten sei, hat Tao Lin mal in einem Interview erklärt. TOBIAS SCHWARTZ
■ Tao Lin: „Gute Laune“. Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner. Dumont, Köln 2009, 158 Seiten, 14,95 Euro