: Mieter wollen Bäume statt Autos
NATURSCHUTZ Der einst „schönste Garten Hamburgs“ in Hoheluft soll Parkplätzen weichen. Anwohner verhindern Kahlschlag nach Ende der Fällsaison. Unternehmer will trotzdem abholzen – im Oktober
In Hamburg fehlen 30.000 bis 40.000 Wohnungen. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) will im Kampf gegen die Wohnungsnot ein Wahlkampfversprechen einlösen und jährlich 6.000 neue Wohnungen bauen lassen – aus Sicht der SPD-Bürgerschaftsfraktion das derzeit größte Wohnungsbauprogramm Deutschlands.
■ Die Methode: „Nachverdichtung“. Dabei sollen Baulücken geschlossen und Häuser aufgestockt werden.
■ Die Kritik des Architektenverbands: hektische Bautätigkeit ohne städtebauliches Konzept und Augenmaß – nach dem Motto „nicht kleckern, sondern klotzen“
■ Die Kritik der Umweltschützer: Zerstörung der wenigen Grünflächen der Stadt M. ENGER
Die Mieter in der Gärtnerstraße 28a-g sind aufgebracht. Vor ihrer Häuserzeile liegt eine Gartenanlage, die sie lieb gewonnen haben. Eine große Wiese mit Büschen, Pflanzenrondells und 20 großen Bäumen, ein Idyll an einer der meistbefahrenen Straßen Hamburgs. Doch nun soll die grüne Oase im Stadtteil Hoheluft zerstört und vier große Bäume gefällt werden – für Parkplätze. Die Anwohner fühlen sich überrumpelt.
Das Anwesen gehört der Friedrich und Dorothea Langbein-Stiftung. Die Namensgeberin stiftete es, um pensionierten Handwerkern ein ruhiges Zuhause zu geben. 70 Wohnungen zählt der Komplex. Zu den bisherigen Dachgeschosswohnungen sollen nun sieben hinzukommen. Nach der Hamburgischen Bauordnung muss dafür entsprechender Parkraum geschaffen werden.
Das Vorhaben ist nur ein Beispiel für die rege Bautätigkeit in den Hamburger Stadtteilen. Da es in Hamburg zu wenig Wohnraum gibt, werden Bauvorschriften auch schon mal wohlwollend zugunsten der Bauherren ausgelegt. Ellen Kruse von den Wandsbeker Grünen bestätigt das. Sie sitzt im Bauprüfausschuss Walddörfer sowie im Umweltausschuss Wandsbek. Die Nachbarn würden oft nicht gefragt – oder so kurzfristig informiert, dass Widerspruch nicht mehr möglich sei, kritisiert sie.
Wie im vorliegenden Fall gehe Baurecht leider auch vor Baumschutz, sagt Kruse, die auch in BUND und in der Nabu-Baumschutzgruppe für den Erhalt der Bäume in der Gärtnerstraße streitet. Dort wolle man, monieren die Mieter, mit der Kettensäge Fakten schaffen. Sie seien erst am 27. Februar per Brief über den Ausbau informiert worden und von den geplanten Parkplätzen auf der Grünfläche sei keine Rede gewesen.
Auf einmal seien dann vier Bäume für die Fällung markiert gewesen, erzählt Mieterin Irene Margil. Zusammen mit anderen Bewohnern hat sie den Protest organisiert: einen offenen Brief an die Stiftung sowie eine einstweilige Verfügung, die aber abgewiesen wurde. Eine Unterschriftenliste für die Rettung der Bäume haben mittlerweile 25 Mietparteien unterschrieben.
Das Bauprüfamt Eimsbüttel hatte das Fällen dreier Buchen und eines Ahorns genehmigt, allerdings nur innerhalb der Fällzeit bis zum 28. Februar. Danach geht das nur mit Sondergenehmigung. Der Bauunternehmer sagt, die liege vor. Nachfragen beim Bezirksamt ergaben das Gegenteil. Nun rudert der Unternehmer zurück und fühlt sich von der beauftragten Fällfirma falsch informiert.
„Der Garten ist das Herz der Wohnanlage“ hatten die Anwohner auf einen großen Luftballon geschrieben, um den herum sie sich zum Protest versammelten. Mieterin Hedwig Haase wohnt dort seit 37 Jahren und ist empört, dass ihr grünes Paradies verschwinden soll. Gerettet sind die Bäume nämlich noch nicht. Die nächste Fällsaison beginnt am 1. Oktober. Der Unternehmer will spätestens dann fällen lassen. MICHAEL ENGER