: Nicht foltern, quälen
VON MICHAEL STRECK
Der amerikanische Geheimdienst CIA hat US-Presseberichten zufolge Geheimgefängnisse auf europäischem Boden erst vergangenen Monat geschlossen und die Häftlinge in die nordafrikanische Wüste deportiert. Die US-Regierung hat die Existenz solcher Gefängnisse bislang weder bestätigt noch dementiert.
Nach Angaben des TV-Senders ABC sollen vor dem Europabesuch von US-Außenministerin Condoleezza Rice hochrangige Al-Qaida-Mitglieder auf polnischen und rumänischen Militärbasen verhört worden sein. Warschau wies den Bericht zurück, Bukarest will den Fall untersuchen. ABC berichtet überdies, dass mutmaßliche Terroristen von der CIA in Staaten deportiert wurden, die bei Verhören härter zur Sache gehen als die Amerikaner. Dabei handele es sich vor allem um Marokko, Ägypten, Jordanien und Syrien.
Die konkreten Ländernamen und mögliche Mitwisserschaft europäischer Regierungen sind neu. Das Vorgehensmuster hingegen hat sich über die vergangenen Monate kontinuierlich herausgeschält: Im Kampf gegen den Terror setzt sich die US-Regierung über geltende völkerrechtliche Normen hinweg. Dies belegt eine Vielzahl von Quellen. Nicht nur Untersuchungen des Roten Kreuzes, sondern auch interne Überprüfungen von FBI und Pentagon haben ergeben, dass in US-Militärgefängnissen von Guantánamo bis Afghanistan Verhörtechniken angewendet werden, die Misshandlungen tolerieren und „gleichbedeutend mit Folter sind“, so das Rote Kreuz.
Zweifellos gestehen auch Menschenrechtler den USA bei der Terrorabwehr ausdrücklich das Recht zu, Geheimdienstinformationen zu sammeln. Dabei dürften jedoch nicht demokratische Grundprinzipien über Bord geworfen werden. Wann dieser Punkt erreicht ist, darüber streiten US-Regierung, Europäer und Menschenrechtler. Im Kern geht es dabei um die Definition von Folter.
Natürlich weist Washington den Foltervorwurf von sich. „Die USA foltern nicht und verschicken Menschen auch nicht, damit sie anderswo gefoltert werden“, bemühte sich Rice vor dem Abflug nach Europa klarzustellen. Allerdings übt sich die US-Regierung in technisch-rhetorischen Verrenkungen, um verbotene Methoden zu legitimieren. Nach UN-Auffassung ist Folter klar verständlich „das Zufügen schwerer Schmerzen“. Ein Memorandum des US-Justizministeriums vom August 2002 versuchte das Adjektiv „schwerwiegend“ umzudeuten als einen Schmerz, „der von einer Intensität sein muss, die kaum zu ertragen ist“. Solange Gewaltanwendung keine bleibenden Organschäden oder den Tod hervorrufen würden, handele es sich nicht um Folter, so die Anleitung weiter. Diese Auffassung ging offenbar selbst dem Weißen Haus zu weit, es distanzierte sich später von dem Papier. Die CIA entwickelte danach verschiedene Verhörmethoden (siehe unten), die nach US-Lesart keine Folter darstellen, aber den Willen des Gefangenen brechen sollen.
Diese Methoden sollen nun, nachdem die Regierung bislang jeden Einblick in Entstehung und Umsetzung der CIA-Verhörpraxis ablehnte, untersagt werden. So fordert es zumindest der US-Senat. Nicht aus Nächstenliebe zu den Terroristen, sondern aus Furcht, Schurkenstaaten könnten sich ein Beispiel an Amerika nehmen und gefangene GIs genauso behandeln. Mit deutlicher Mehrheit stimmten die Senatoren einem Gesetz zu, das „grausame und unmenschliche Behandlungen“ von Häftlingen verbietet – ein Hinweis, welch Unbehagen Öffentlichkeit und Parlamentarier bei dem Thema plagen. US-Präsident Bush, der in Zukunft die Hände der CIA gebunden sieht, hat sein Veto angekündigt. Nun feilen Weißes Haus und Senat an einem Kompromiss.
Unberührt davon sind die Auslieferungen an Staaten, die nach allgemeiner Erkenntnis in ihren Gefängnissen foltern. Diese Praxis wurde in den USA bis zum 11. September nur vereinzelt angewendet, danach erheblich ausgeweitet. Rice verteidigte sie am Montag erneut als unentbehrlichen Bestandteil im Antiterrorkampf. Viele Völkerrechtler halten sie jedoch für unvereinbar mit der UN-Folterkonvention.