piwik no script img

Archiv-Artikel

Ein Jesuitenpater als Lobbyist

Josep Buades Fuster koordiniert die Flüchtlingsarbeit der spanischen Jesuiten. Über die Lage der Flüchtlinge in den Exklaven Ceuta und Melilla informierte er EU-Abgeordnete

„Die marokkanische Regierung spieltein vielschichtigespolitisches Spiel“

BRÜSSEL taz ■ In der Cafeteria neben dem Plenarsaal des Europaparlaments in Brüssel wird Politik gemacht. Hier lassen sich die Abgeordneten von Betroffenen und Experten vor Augen führen, welche Auswirkungen ihre Gesetze haben können. Josep Buades Fuster ist der typische Lobbyist: jung, smart, mit gepflegtem grauem Dreiteiler und Laptop-Köfferchen. Doch der junge Jesuitenpater aus Valencia wirbt für ein Produkt ohne klaren Marktwert: für Menschenwürde.

Gestern hat sich eine Gruppe von 18 Parlamentariern des Justiz- und Innenausschusses auf den Weg nach Madrid, Melilla und Ceuta gemacht, um herauszufinden, ob Spanien sich an die Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention hält und ob die Deportation von Flüchtlingen nach Marokko mit europäischen Gesetzen vereinbar ist. Mit Pakistan, der Ukraine, der Türkei und Marokko verhandelt die Europäische Union derzeit über so genannte Rückübernahmeabkommen. Darin sollen sich diese Länder im Tausch gegen Handelserleichterungen verpflichten, nicht nur eigene Landsleute zurückzunehmen, sondern auch Flüchtlinge, die von ihrem Territorium aus nach Europa eingereist sind.

Pater Josep Buades Fuster koordiniert die Flüchtlingsarbeit der Jesuiten in Spanien. Im Oktober war er mit drei Kollegen anderer Hilfsorganisationen eine Woche in Marokko unterwegs. 8.000 Kilometer in vier Tagen, von der Grenze zu Algerien im Nordosten zur mauretanischen Grenze im Südwesten. Die Reise endete früher als geplant, weil der Fahrer aus Übermüdung die Kontrolle verlor und der Wagen sich viermal überschlug. Warum diese Eile? „Wir wussten von vier Buskonvois, mit denen Flüchtlinge an die Grenze zu Mauretanien gebracht werden sollten. Dort ist alles vermint. In dem am weitesten entfernten Bus saßen Frauen und Kinder, ohne Nahrung und Wasser, sie waren besonders gefährdet.“ Es gelang, die Deportation dieser Menschen zu verhindern. Sie wurden in Dajla interniert. Aber für den vierten Bus kam diese Hilfe zu spät, denn die Leute waren bereits in der Wüste ausgesetzt worden.

Wie erklärt sich Buades Fuster, dass die marokkanischen Behörden die Recherchen nicht behindert haben? „Die marokkanische Regierung spielt ein vielschichtiges politisches Spiel. Sie hatte einerseits kein Interesse, den Massenansturm auf Ceuta und Melilla zu verhindern. Wenn es den Spaniern hier zu ungemütlich wird, sollen sie eben gehen. Die Deportationen in die Wüste, ohne Wasser, ohne Nahrung, sollen sich herumsprechen und die Illegalen abschrecken“, beschreibt der Pater die Lage. „Und dann gibt es natürlich den ökonomischen Aspekt, die Botschaft an Spanien und die EU: Wenn ihr nicht wollt, dass wir so mit den Flüchtlingen umgehen, dann müsst ihr uns finanziell unterstützen.“

Muss man nicht auch bei den Regierungen von Senegal und Mali von einem komplexen politischen Spiel sprechen? „Natürlich ermutigen diese Länder die Emigration. Das war in den Sechzigerjahren in Spanien doch auch nicht anders. Der Unterschied ist nur, dass die spanische Regierung mit den Ersparnissen der so genannten Gastarbeiter eine gezielte Wirtschaftspolitik betrieben hat. Ähnlich läuft es heute in Südamerika. In den Ländern südlich der Sahara gibt es solche Wirtschaftsprogramme nicht.“

Die von den Medien verbreitete These, es steckten nur mächtige Schleuserorganisationen hinter der Wanderungsbewegung, hält der Pater für nicht belegbar. „Entlang des Weges trifft man ganz korrekte Transportunternehmer, aber natürlich auch Kriminelle, die aus der Notlage der Flüchtlinge Profit schlagen. In jeder Branche gibt es die Tendenz zur Konzentration und dazu, mafiose Strukturen auszubilden. Wie Drogen oder Prostitution sind auch illegal geschmuggelte Menschen ein gutes Geschäft“, sagt Pater Josep Buades Fuster, fügt aber hinzu: „Aber es gibt auch Völker, die schon immer vom Transportwesen leben, zum Beispiel die Tuareg im Süden Algeriens. Früher betreuten sie Karawanen, später dann Touristen. Jetzt verdienen sie eben ihr Geld, indem sie Flüchtlingstransporte organisieren.“

Welchen Ratschlag hat Jesuitenpater Josep Buades Fuster den 18 EU-Abgeordneten auf ihre Reise mitgegeben, die gestern begonnen hat – ist Marokko gegenwärtig ein sicherer Drittstaat, mit dem die Europäische Union ein Rücknahmeabkommen abschließen kann? „Nein, natürlich ist Marokko kein Rechtsstaat. Schließlich schieben sie auch Asylbewerber ab und Studenten mit gültigem Aufenthaltstitel, einfach nur, weil sie schwarz sind.“ DANIELA WEINGÄRTNER