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Archiv-Artikel

Die Polizei, dein Freund und Lügner

ZEUGENSCHUTZ Polizisten geben Versprechen ab, obwohl sie die nicht einhalten können

Tipp für Zeugen: Hinweise einfach ohne Absender an die Polizei schicken

Es geschah im Februar in Charlottenburg: Zwei Polizisten suchen nach Verdächtigen, die ein älteres Ehepaar ausgeraubt haben sollen. Die Polizisten gehen in Läden rund um den Tatort, zeigen den Angestellten das Fahndungsplakat mit Bildern aus einer Überwachungskamera.

In einem Obst- und Gemüseladen werden die Beamten fündig: Ein Kunde erkennt einen Verdächtigen. Doch er will den Namen nicht nennen, weil es sein Nachbar ist und er Angst hat. Die Polizisten sagen zu, dass „die abgebildete Person nicht erfahre“, von wem der Hinweis kommt. In einem Vermerk halten sie ihr Versprechen fest.

Doch die Polizisten halten ihre Zusage nicht ein. Sie nehmen nämlich auch die Adresse des Zeugen in ihren Vermerk auf. Es kommt, wie es kommen muss: Die Verdächtigen werden – auch mit Hilfe dieser Aussage – gefasst. Ihr Anwalt Carsten Hoenig nimmt Einsicht in die Ermittlungsakten. Er findet dort den Namen des Zeugen – und verrät ihn seinem Mandanten. Hoenig: „Ich muss mit meinem Mandanten alle Inhalte aus der Akte besprechen, um die Verteidigung vorzubereiten. Mein Mandant muss auch die Identität der Zeugen kennen, damit er deren Glaubwürdigkeit gegebenenfalls gegenüber den Ermittlungsbehörden erschüttern kann.“

Die Polizei hat durchaus Möglichkeiten, einen Zeugen zu verschleiern – aber nur bei schweren Verbrechen und Lebensgefahr für den Zeugen. Die Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Die Polizisten gaben also eine Zusage, die sie nicht einhalten konnten. „Das ist kein übliches Vorgehen“, behauptet Polizeisprecher Stefan Redlich. „Wenn das hier passiert sein sollte, wäre das ein Fehler der Beamten.“

Wie häufig riskieren Polizisten das Leben und die Gesundheit von Zeugen, um einen schnellen Ermittlungserfolg zu haben? Offizielle Zahlen gibt es nicht. „So deutlich wie hier ist es selten“, sagt Anwalt Hoenig. „Es ist aber vielfach so, dass Zeugen mit sanftem Druck zum Sprechen bewogen werden sollen“, sagt Hoenig. „Die Risiken einer Aussage werden so gut wie nie angesprochen“, sagt Hoenig. Er würde Zeugen in Fällen wie diesem raten: Einfach den Hinweis auf den Täter per Post an die Polizei schicken, und zwar anonym. So bekommt die Polizei den Verbrecher – und der Zeuge seinen ruhigen Schlaf. SEBASTIAN HEISER