: Burschi forscht
SENAT Staatssekretär Büge schrieb Studie für Unternehmen und ist weiterhin Burschenschaftler. Opposition fordert Rausschmiss
■ Der Senat findet Burschenschaften unproblematisch. Derzeit sei keine Berliner Verbindung „als rechtsextremistisch bekannt“, heißt es in einer Antwort von Innensenator Frank Henkel (CDU) an die Grünen. Auch Kontakte zur NPD lägen nicht vor. Die Grüne Clara Herrmann warf Henkel „mangelndes Problembewusstsein“ vor: Natürlich gebe es eine Nähe zum weit rechten Milieu. (ko)
Der Druck auf den Staatssekretär für Soziales, Michael Büge (CDU), steigt: Die Opposition fordert seine Entlassung. Büge hat zusammen mit seinem persönlichen Referenten und einer Praktikantin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales eine Studie über den „Jobmotor Sozialwirtschaft“ erstellt – für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte. „Ein Staatssekretär hat genug Aufgaben, als dass er noch Forschungen für ein Privatunternehmen anstellen sollte“, sagte der Sprecher für Soziales der Grünen-Fraktion, Martin Beck. Außerdem kritisierte er inhaltliche Äußerungen in der Publikation. Der Staatssekretär von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) steht seit November auch in der Kritik, weil er der rechten Burschenschaft Gothia angehört.
In der kritisierten Studie attestieren die Autoren auf 18 Seiten, die Sozialwirtschaft werde als Wirtschaftszweig immer wichtiger, die Zahl der Beschäftigten steige. Außerdem prognostizieren sie eine noch stärkere wirtschaftliche Ausrichtung sozialer Dienstleistungen und Privatisierungswellen in Bereichen wie der Beratung und Betreuung hilfsbedürftiger Menschen. Beck wirft Büge vor, dass er zu Gunsten profitorientierter Akteure negativ über gemeinnützige Organisationen urteile, ohne dies durch eine umfassende Literaturauswahl zu verifizieren: „Zitiert werden stattdessen dem Autor politisch nahestehende Quellen.“ Büge wolle offenbar sein künftiges politisches Handeln „mit einer eigenen oberflächlich wissenschaftlichen Studie“ begründen. Außerdem sei der Einsatz von Senatsressourcen für Recherchen, von denen ein Privatunternehmen profitiert, höchst zweifelhaft.
Rechtsexperten beurteilen dies weniger dramatisch. „Dass ein Staatssekretär sich auf diesem Wege mit seinem Aufgabenbereich befasst und dabei konkret Position bezieht, ist legitim“, sagte der emeritierte Staatsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität der taz. Im Falle der Zahlung eines Honorars müsse dieses an den Staat fließen. Doch Büge hat nach Angaben seiner Senatsverwaltung kein Geld für die Arbeit bekommen. Er habe die Studie dezidiert als Staatssekretär verfasst und dies seiner Verwaltung gegenüber angezeigt.
Trotzdem übt auch der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Klaus Lederer, Kritik: „Ein Staatssekretär muss unabhängig sein und Distanz zu profitorientierten Akteuren in seinem Bereich wahren.“ Ansonsten drohe die Vermischung von Interessen. „Schon seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft Gothia ist zu viel des Guten“, sagte Lederer, „der Senat muss Büge entlassen.“
Büge hatte angekündigt, aus der Gothia auszutreten, sollte diese nicht den extrem rechten Dachverband Deutsche Burschenschaft verlassen. Darüber wollte die Gothia bis Ende Januar befunden haben, doch die Entscheidung steht aus. Es gestalte sich langwieriger als gedacht, dabei alle Gothia-Mitglieder einzubeziehen, weil diese teils im Ausland lebten, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Deshalb habe sich Büge noch nicht festlegen können. Den Forderungen nach seiner Entlassung schloss sich die Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt der SPD an: „Büge ist für Berlin untragbar“, heißt es in einer Erklärung. Seine Hinhaltetaktik sei Indiz dafür, dass der Staatssekretär am Gedankengut der Burschenschaft festhalte. Senator Czaja solle schnellstens handeln, weil er sonst die Gefahr drohe, „dass das Braun des Staatssekretärs abfärbt“. SEBASTIAN PUSCHNER