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Archiv-Artikel

Rebellische Richterschaft

Der Unmut bei Hamburgs RichterInnen und StaatsanwältInnen über die Anordnungen von Justizsenator Roger Kusch schlägt weiter Wellen. Verweigerung bei Jobrotation

Eigentlich herrscht in den Gerichtsgebäuden am Sievekingplatz am Abend vor einem vorweihnachtlichen Wochenende tiefe Stille. Nicht am Freitag: Die Grundbuchhalle des Ziviljustizgebäudes ist auf Einladung des Hamburgischen Richtervereins proppenvoll, an den Balustraden der oberen Geschosse drängeln sich Richter- und StaatsanwältInnen. Ein Indiz dafür, dass der Konflikt mit Justizsenator Roger Kusch (CDU) über dessen politische Einflussnahme bei Personalentscheidungen noch nicht beigelegt ist.

Und so endet die Diskussion nach gut zwei Stunden eher im Stil einer Gerichtsverhandlung. „Sind Sie bereit, erneut rechtswidrige Verfahren einzuführen?“, fragt ein Richter Justizstaatsrat Carsten Lüdemann (CDU), als wäre dieser ein Angeklagter. „Ich habe keine Ermächtigung“, erwidert dieser kleinlaut, „von den Entscheidungen des Senators abzuweichen.“

Mitte November hatte Justizsenator Kusch einen Aufstand der Richterschaft provoziert. Er wollte im Handstreich die gesetzliche Einstellungspraxis von RichterInnen und StaatsanwältInnen ändern, so dass die Präsidenten der vier obersten Gerichte (Oberlandes-, Oberverwaltungs-, Landesarbeits- und Landessozialgericht) sowie die Generalstaatsanwältin nicht mehr das Auswahlrecht besitzen. Die Vorauswahl sollte stattdessen in der Justizbehörde vorgenommen werden.

Für Wilhelm Rapp, Präsident des Oberlandesgerichts, ist dies der Versuch einer „politischen Einflussnahme,“ der die „Alarmstufe rot“ und eine Remonstration der Richterschaft gerechtfertigt habe. Nach einem Gespräch zwischen Rapp und CDU-Bürgermeister Ole von Beust scheint Kusch mittlerweile zurückgerudert zu sein. Es sei doch nur darum gegangen, einen „gemeinsamen Briefkasten“ für alle BewerberInnen zu finden, besänftigt Lüdemann.

Doch die Richter- und StaatsanwältInnen erregt noch ein weiterer Punkt. Kusch hat angeordnet, dass BewerberInnen künftig mehrere Dienststellen im Justizapparat zu durchlaufen hätten. Nicht nur der Austausch zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaft soll stattfinden, auch Stationen in einem der Fachgerichte (Arbeits-, Sozial- oder Verwaltungsgericht) oder sogar im Knast und in der Behörde sollten durchlaufen werden. Wenn jemand dazu nicht bereit ist, sind die Einstellungschancen dahin. „Das ist rechtswidrig“, bekräftigt Anwalt Gerhard Strate – Mitglied des Richterwahlausschusses – die Position der RichterInnen, die sich dieser Weisung bislang verweigern.

„Wir werden diese Zustimmung bei den Bewerbern nicht einholen“, sagt Rapp. „Wir haben nichts gegen Flexibilisierung“, fügt er hinzu, „aber diese Anordnung verstößt gegen das Freiwilligkeitsprinzip und ist nicht praxistauglich.“ KAI VON APPEN