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Archiv-Artikel

Neue Ansätze

Versuch der Deeskalation: Der VfL Wolfsburg verliert 0:1 gegen den VfB Stuttgart, zeigt sich aber leicht verbessert

WOLFSBURG taz ■ Man muss nicht mehr diskutieren, ob der VfL Wolfsburg in einer Krise steckt. „Nein, wir sind auf der Erfolgsspur“, sagte Verteidiger Stefan Schnoor auf Erkundigungen, um umgehend nachzusetzen: „Was ist denn das für eine Frage?“ Schnoor redet, wie er spielt: ohne Schleifchen. Kommt man ihm in die Quere, kriegt man eine mit. Klar sei das eine Krise, „was soll das denn sonst sein?“

Das 0:1 gegen den VfB Stuttgart war das siebte sieglose Spiel in Serie, zudem die erste Heimniederlage der Saison. Damit ist der Klub nun sogar aus seinem Revier zwischen Platz 8 und 10 geflogen und muss sich neu orientieren. Torhüter Simon Jentzsch hat das bereits getan. Er will „kucken, was unten passiert“. Manager Thomas Strunz rechnet mit einem Sieg in Lautern. Um Platz fünf mitzuspielen war und ist sein erklärtes Saisonziel.

Was die Qualität des Spiels betrifft: Großer Fußball war das nicht. Aber wer die Spiele davor als Maßstab nimmt, hat eine läuferisch und kämpferisch funktionierende Mannschaft gesehen – und zudem eine Deeskalierung der Krise. Mit dem nach langer Verletzung zurückgekehrten Andres d’Alessandro und dem wieder besser werdenden Kapitän Thiam war das Offensivspiel wiederbelebt. Mit der Umstellung auf Dreierabwehrkette und der Hereinnahme des verkappten Rechtsaußen Mensequez hatte Trainer Holger Fach zudem das Risiko erhöht (3-3-2-2), folglich gab es auch wieder Ansätze von Kombinationsfußball. „Wir haben genug Chancen rausgearbeitet, um das Spiel zu gewinnen“, sagte Fach. Mehr als der VfB Stuttgart, bei dem Trainer Giovanni Trapattoni mit großem Engagement daran arbeitet, seine Profis dahin zu schieben, wo er sie haben will. Einmal pfiff er dem jungen Gentner zwei Minuten hinterher, bis der endlich richtig stand. Hinterher hielt er die Arme vor der Brust verkreuzt und ließ seinen Dolmetscher sagen, dass der VfB (4-1-3-2) nun langsam das anzuwenden wisse, was er im Training einübe. Tatsächlich sah es so aus. Falls jemand noch nicht wissen sollte, worauf Trapattoni-Fußball rausläuft, dann dies: Er sucht „Effizienz“, und in dieser Hinsicht war das Spiel ein Hochgenuss. Für Trapattoni. Beide Qualitätskriterien des Italieners wurden erfüllt. Erstens: „Wenig Torchancen, ein Tor, das war sehr gut.“ Zweitens: Nach dem 1:0 „haben wir alles dafür gegeben, kein Gegentor zu bekommen“. Früher hieß das Catenaccio.

Der eingewechselte Meißner hatte also einen Konter ins Tor (62.) gestolpert. Ausgangspunkt war ein Defensivfehler der aufgerückten Wolfsburger. Während Trapattoni seinen Kritikern zumindest bis auf weiteres mit einem fröhlichen „Gute Abend“ entschwinden konnte, musste Holger Fach sich gegenüber dem NDR minutenlang zur Frage äußern, ob der VfL etwa ein „Trainerproblem“ habe. Fach ist bekanntlich alles andere als ein smarter Dauergrinser, aber er ist auch kein Phrasenschwein. Er antwortete: „Haben Sie schon mal einen Trainer gesehen, der auf solch eine Frage vernünftige Antworten gibt?“ Es war interessant zu sehen, wie er sich aufrichtig Mühe gab. Am Ende brach er ab. „Lassen Sie uns auf ein Niveau gehen, auf dem es Sinn macht, Interviews zu machen“, sagte er und ging weg.

Praktisch jedes Team hat in jeder Saison mindestens eine Krise. Je überzogener die Erwartungshaltung, desto subjektiv größer wird die Krise empfunden. Ursache kann einfach auch die Summierung relativ unspektakulärer Dinge sein, wie eine Verletztenserie, Psyche oder Pech. Klar ist bisher nur, dass die Umstellung auf Fachs Kontrollfußball zu weniger Dominanz, weniger Chancen und zum Verlust der Heimstärke geführt hat. Die war vorher die herausragende Qualität des VfL. In diesem Zusammenhang muss man aber auch auf Details zu sprechen kommen, auf Mike Hanke, 22, den Millioneneinkauf aus Schalke. Präsentiert wurde er als Leitfigur. Bisher steht er beispielhaft für überzogene Erwartungen und schlechte Chancenverwertung. Der Mann müht sich. Aber er schießt keine Tore. Hätte er seine klaren Möglichkeiten gegen Stuttgart und zuvor gegen Bielefeld genutzt, wäre Ruhe. So sah man Hanke nach Spielende mit gesenkten Schultern zur Nordtribüne schleichen, um dort von den Stehplätzen Absolution zu erhalten. Man pfiff ihn aus. Allein dass er sich dahintraute, hatte was. PETER UNFRIED