Künstliche Natur: Neue Arme für den Fluss

In Habenhausen wird die Weser revitalisiert: Sie bekommt einen künstlichen Nebenarm, in dem Fische besser laichen können.

Auen wie in Berne prägten vor 200 Jahren den Weserlauf. Bild: dpa/taz

BREMEN taz | In Habenhausen bekommt die Weser einen neuen Nebenarm, der eine Aulandschaft speisen soll. Auf 7,4 Hektar wird dort am Deich gebaut, bald wird eine Flutrinne ausgehoben, werden bis zu 50.000 Kubikmeter Sand bewegt und anderweitig in der Stadt für verschiedene Deichbauvorhaben weiterverwendet. Auf einer Länge von 500 Metern soll ein ökologisches Erholungsgebiet entstehen.

Bevor der erste Spatenstich gesetzt wurde, gab es Zwischenrufe von etwa 15 AnwohnerInnen der Generation 60 plus. Sollte es einen Strand geben, würden Menschen im Gebiet grillen wollen und Müll verbreiten, so ihr Protest. Eine geregelte Müllabfuhr müsse her. Die Forderung hat indes keine Aussicht auf Erfolg. „Wir sind ein Haushaltsnotlage-Land“, erläuterte Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne). „Wir können keine zusätzliche Kosten übernehmen“ – und grundsätzlich müsse man doch erst mal schauen, ob die befürchtete Vermüllung überhaupt eintrete.Wichtiger sei es nun erstmal, die Vorgaben der europäischen Wasserrichtlinie zu realisieren.

Was das heißt, erklärte die Bauoberleiterin. Hier werde ein naturnahes Sandufer entstehen – auch zum Baden. Nördlich davon sollen sich Wasservögel und Schilfsbrüter wohlfühlen, es enstehen Flachwasserzonen und Röhrichtflächen neu – eine Aue.

Der Naturschutzbund Bremen begrüßt das Projekt: „Auen sind ein wichtiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen“, sagt Norbert Tenten. „Vielleicht können sich in Habenhausen bedrohte Tierarten wie Fischotter und Kiebitz ansiedeln.“ Flüsse wurden bisher immer den Schiffen und nicht die Schiffe den Flüssen angepasst.

Seit dem 19. Jahrhundert wurde die Weser begradigt und dem zunehmenden Schiffsverkehr zugänglich gemacht. Der einst dynamische Flussverlauf wurde künstlich verändert, sodass ein langer Kanal mit glatten Ufern entstand. Um die Ufer vor der Erosion durch die nun schnellere Strömung zu schützen, wurden Steine zur Sicherung der Ufer angeschüttet. An vielen Stellen entlang der Weser besteht die Uferstruktur deshalb aus Steinschüttungen, wie beispielsweise in Bremen das rechte Weserufer zwischen Wall und Sielwall.

„Durch diese Veränderungen sind aber wichtige Flachwasserbiotope verloren gegangen“, sagt Martina Völkel vom Umweltressort. Damit wurde die Aue vom Ökosystem Fluss abgetrennt.

In den 1970er Jahren gab es in europäischen Flüssen häufiges Fischsterben. Die Gründe waren die bis dahin weniger streng kontrollierten Industrie- und Abwasserableitungen ins Gewässer. So wurde der Sauerstoffgehalt im Wasser zunehmend reduziert und viele Fische starben.

Das Fischsterben führte europaweit zum Umdenken in der Wasserwirtschaft. Obwohl dann auf eine Verbesserung der Wasserqualität geachtet wurde, blieb die erhoffte Erholung der Artenvielfalt aus. Die Flüsse galten vorrangig als Transportwege für den Schiffsverkehr und nicht als ökologischer Lebensraum. Im Jahr 2000 einigte man sich auf europäischer Ebene, diesem Wirtschaftsdenken Einhalt zu gebieten: Die „Wasserrahmenrichtline“ (WRRL) hat neue Umweltziele für alle europäischen Gewässer gesetzt, darunter auch die Auenrevitalisierung.

Unter diesen Vorgaben fördert das Bremer Programm „Lebensader Weser“ die Renaturierung der Weser und ihrer Nebenflüsse sowie die Erlebbarkeit der Gewässer für die Bevölkerung. „Es werden unter anderem Flachwasserbereiche angelegt, in denen Fische laichen können“, erklärt die Biologin. In diesen Gebieten ist die Strömung ruhiger, sodass mehr Pflanzen wachsen und sich verschiedene Biotope entwickeln können.

Im Zuge des Programms gab es bisher fünf Baumaßnahmen: in Rablinghausen, am Fuldahafen, am Osterdeich, am Hemelinger See und am Weserstrand in Bremerhaven. Die sechste und größte Umsetzung der Maßnahme begann nun in Habenhausen.

Rund 2,2 Millionen Euro kostet die Revitalisierung in Habenhausen. Der Bau wird vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Umweltsenat finanziert. Zuständig für Planung und die technische Umsetzung ist bremenports.

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