: Der Umstrittene
Sein Versuch, aufzurütteln, anderen zu helfen und sie zu warnen, kommt wie ein Nachtreten daher. Fußball-Schiedsrichter Babak Rafati, der sich im November 2011 in einem Kölner Hotel das Leben nehmen wollte, ist mit deutlicher Kritik an seinen früheren Chefs in die Öffentlichkeit zurückgekehrt. Man habe ihn zutiefst verletzt und systematisch gemobbt – so steht es in seinem Buch „Ich pfeife auf den Tod“, das in Kürze erscheint und das Rafati mit voller Wucht medial bewirbt. Die Frage sei erlaubt, ob derartige Schuldzuweisungen im Rahmen von verkaufsfördernder Werbung nachträglich jemandem helfen – außer dem Autor selbst.
Die Schiedsrichter-Chefs Herbert Fandel und Hellmut Krug, die einst seine Arbeit auf dem Platz beurteilen mussten, haben mit Betroffenheit auf die Anschuldigungen reagiert. In der ARD-Sendung „Beckmann“ hat Rafati zwar betont, dass er niemandem die Schuld für seine Depressionen und seinen Suizidversuch geben wolle, aber er sei zu seiner Zeit als Unparteiischer im Profifußball „menschenunwürdig, sehr kalt und persönlich verletzend“ behandelt worden und habe jede Rückendeckung vermisst. Rafati sprach von einer „irrsinnigen Belastungssituation“. Er habe vor den Telefonaten mit seinem Obmann Schweißausbrüche gehabt.
Seinen früheren Chefs bleibt bei ihren Reaktionen kaum eine andere Wahl, als zu wiederholen, dass Rafati ein umstrittener und häufig kritisierter Referee war. Viermal musste der heute 42-Jährige damit leben, dass er im Rahmen halbjähriger Umfragen von den Bundesligaspielern zum schlechtesten Schiedsrichter gewählt worden war. Solche Abstrafungen müssen mürbe und unzufrieden machen. Sie gehören auf einer Showbühne, auf der der bezahlte Fußball spielt, aber leider zum Tagesgeschäft.
Was wäre von Rafati, dessen Karriere als Schiedsrichter beendet ist, ohne sein Buch in Erinnerung geblieben? Wahrscheinlich, dass er rund 200 Spiele in den besten deutschen Ligen und im internationalen Fußball geleitet hat. Und dass der Banker aus Hannover mit iranischen Wurzeln lange Zeit als Musterbeispiel für Integration gegolten hat.
Über allem sollte stehen, dass Rafati lebt und dass ihm die Ärzte gerade noch rechtzeitig helfen konnten. Die Werbetour zum Buch wird eher dafür sorgen, dass sein Abgang auf lange Sicht mit Attacken, Vorwürfen und Schuldzuweisungen verbunden bleiben wird. Vielleicht war es das öffentliche Anprangern, das Rafati gebraucht hat, um seinen Frieden zu finden und mit einem düsteren Kapitel abzuschließen. Er wird es ertragen müssen, dass auch über diese umstrittene Entscheidung äußerst kontrovers diskutiert wird. CHRISTIAN OTTO