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Archiv-Artikel

Freie Fahrt für die Teermaschinen

Der Bau von Straßen dauert zu lange, meint die Bundesregierung. Deshalb legt sie ein Gesetz vor, das die Klagemöglichkeiten einschränkt. Außerdem sollen Genehmigungen für Projekte länger gelten – selbst wenn das Geld für den Bau nicht reicht

VON ANNETTE JENSEN

Wir haben nicht genug Geld – aber das verplanen wir immerhin rasant. Das scheint das verkehrspolitische Motto der neuen Bundesregierung zu sein. Kommenden Freitag will sie einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, der die Planung von Infrastrukturprojekten beschleunigen soll – im Zweifel zulasten der Umwelt.

Der Vorschlag recycelt ein Vorhaben von Exverkehrsminister Manfred Stolpe aus dem vergangenen Frühjahr und zielt darauf ab, Klagen gegen 60 Straßen-, 22 Schienen- und 6 Wasserwegeprojekte mit einer „überragenden verkehrlichen Bedeutung“ nur noch vor dem Bundesverwaltungsgericht zuzulassen. Damit soll eine in Ostdeutschland mehrfach verlängerte Regelung nun auch auf den Westen übertragen werden. Außerdem werden Verbände künftig nur noch zwei Wochen Zeit haben, um die meist umfangreichen Unterlagen zu studieren und ihre Einwände zu formulieren.

Als Hauptargument für das Vorhaben führt die Koalition eine „Verbesserung des Wirtschaftsstandorts“ durch Bürokratieabbau ins Feld. Viele Verkehrspolitiker ärgern sich, dass Umweltverbände seit ein paar Jahren ein Klagerecht haben und auch die notwendigen Untersuchungen zum Vogelschutz verstärkt wurden.

Daran kann die Bundesregierung allerdings gar nichts ändern: Deutschland hat hier lediglich EU-Vorgaben umgesetzt. In Ostdeutschland gab es bisher nur eine Klageinstanz, weil es früher dort nicht genügend funktionstüchtige Oberverwaltungsgerichte gab. Doch das taugt als Begründung für die Novelle nicht. Im Gegenteil: Längst gibt es diese Instanzen auch in den neuen Ländern, für Westdeutschland stand dies eh nie in Zweifel.

Ob das Gesetzesvorhaben Bestand haben wird, erscheint deshalb fraglich. Schließlich hatte der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts Eckart Hien bereits im vergangenen Jahr in einem taz-Interview deutlich gemacht, dass er Stolpes Vorschlag für verfassungswidrig hielt: „In Westdeutschland gibt es gar keine Begründung für die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.“ Und noch an einer anderen Stelle könnte die Bundesregierung bald mit der Justiz in Konflikt geraten.

Sie hat nämlich verabredet: Genehmigte Baupläne für Straßen, Schienen und Wasserwege sollen länger liegen bleiben können als bisher, ohne dass sie verfallen. „Die Planfeststellungsbeschlüsse werden 10 Jahre mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit um fünf Jahre gelten“, heißt es im Koalitionsvertrag. Der Hintergrund: Schon heute wird vielerorts nur ab und zu ein bisschen Erde bewegt, um Aktivität zu demonstrieren und das Baurecht aufrechtzuerhalten, obwohl eigentlich kein Geld für das Projekt da ist. Nicht auszuschließen ist, dass die Richter die von der Bundesregierung gewünschte 15-jährige Geltungsdauer von Bauplänen vereiteln werden. In einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts heißt es: „Die Planung eines Vorhabens, dessen Finanzierung ausgeschlossen ist, ist unzulässig. (…) Die Planfeststellungsbehörde hat deshalb vorausschauend zu beurteilen, ob dem Bauvorhaben unüberwindbare finanzielle Schranken entgegenstehen.“

Als akzeptabler Zeithorizont gelten fünf Jahre, die um fünf Jahre verlängert werden könnten. Doch alles, was wesentlich darüber hinausgeht, sei eine „Vorratsplanung“ – und damit unzulässig, machte Gerichtspräsident Hien in einer Bundestagsanhörung im vergangenen Frühjahr deutlich. Schließlich gehe es bei solchen Vorhaben ja immer auch um Enteignungen und andere Nachteile für Anlieger.