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Archiv-Artikel

Folter ist unsouverän

Konservative vertreten in der Debatte um geheime Gefangenentransporte der CIA erneut die These: Der Kampf gegen den Terror heiligt die Mittel – auch Folter. Ein Armutszeugnis für einen Rechtsstaat!

VON JAN FEDDERSEN

Die Tatsache selbst wird nicht bestritten: Gefangenen wird Gewalt angedroht, um ihnen Geständnisse zu erpressen. Historisch war dies ein übliches Verfahren, Stadtmuseen Mitteleuropas zeigen gern die Instrumente, mit denen Inhaftierten gedroht wurde: Folterwerkzeuge. Heute ist das kaum anders, nur die Methoden sind raffinierter geworden. Global gesehen foltern mehr Staaten, als dass sie auf sie als Mittel der kriminalistischen Beweissicherung verzichten. Amnesty international veröffentlicht zum Thema Jahr für Jahr ähnliche Bilanzen – und sie fallen nie günstig aus, vor allem nicht für totalitär strukturierte Länder wie beispielsweise die Volksrepublik China oder für zugleich religiös verfasste Staaten wie Syrien, Iran oder Jordanien.

Die Definition dessen, was Folter überhaupt ist, wird freilich, vor allem seitens der konservativen Eliten Amerikas, bestritten. Seien die Grenzen nicht fließend? Ist schon die härtere Gangart mit Verdächtigen, wie sie es nennen, allenthalben ein guter Weg, um herauszufinden, was zu ermitteln ist – nämlich, beispielsweise, der Aufenthaltsort von Gekidnappten, die Kommunikationsinfrastrukturen von Terrornetzwerken? Billigt, um mit dem deutschen Politologen Michael Wolffsohn zu sprechen, der Zweck die Mittel, wenigstens ausnahmsweise? Darf man sich Gesellschaft als steten Ausnahmezustand denken – vor allem in Zeiten des islamistischen Terrors, der auf die zögerliche Weichheit des Westens setzt, um seine Härte umso tückischer durchzusetzen?

Alle Erwägungen in puncto Folter und Ausnahmezustand gehen am Kern der Qualität des Unterschieds zwischen dem liberalen Westen und seiner Angreifer vorbei: Das Folterverbot hat sich im Laufe der europäisch-amerikanischen Rechtsgeschichte durchsetzen können, weil man auf Weichheit hält. Vielmehr waren die Gründe zunächst auch kriminalistisch immanenter Natur: Erfolterte Geständnisse waren wertlos – unter (der Androhung von) Torturen sagen alle Menschen alles. Das Folterverbot zu relativieren, wie es der Grundgesetzkommentar unter ganz besonderen Umständen bereits erlaubt, ist aber in erster Linie eine Schwächung dessen, was ein demokratischer Rechtsstaat bedeutet. Eine Demokratie ohne Rechtsstaat ist nichts anderes als die Herrschaft der Mehrheit über den Rest – Rechte zu haben, absolut und ausnahmslos, ist die Qualität, die ein demokratisches Miteinander erst möglich macht: Vertrauen ist das Futter, von dem Regime wie der Iran, China oder Syrien nicht zehren können.

Insofern unterminiert sich die Idee Amerikas mit den terrorinspirierten Gepflogenheiten in Sachen Abu Ghraib oder Guantánamo auf fatale Weise selbst. Jeder Angeklagte hat das Recht auf Verteidigung, auf Gehör und die Chance, sich zur Wehr zu setzen. Alle haben das Recht, sich darauf verlassen zu können, in rechtsstaatlichen Zusammenhängen körperlich und seelisch nichts abgefoltert zu bekommen.

Dass der frühere Innenminister Otto Schily möglicherweise die Causa des deutschen Staatsbürgers al-Masri für eine Bagatelle in den politischen Händeln um den modernen Terrorismus hielt, nicht würdig, an ihm den rechtsstaatlichen Grundsatz zu betonen, ist ein schlimmes Zeichen. Menschen in anderen Regionen der Welt, die westliche Staaten und Gesellschaften gerade deshalb wunderbar finden, weil in ihnen kein Gefangener mit Torturen bedroht wird, nehmen dies als Armutszeugnis.