: Bremen ist ein Karpfenteich
Der Streit um das geplante Factory-Outlet-Center im Ochtum-Park entzweit nicht nur Bremen und Stuhr, sondern auch die Bremer Regierungs-Koalition: SPD will die Klage zurückziehen, CDU zeiht sie der Preisgabe Bremer Interessen – an den Hecht
Bremen taz ■ Der Hecht im Karpfenteich? Dem Lexikon zufolge ist das ein „Unruhestifter“. Einer, der die anderen vor sich hertreibt. Und keine Schwachen duldet.
Unruhe gab es gestern in der Tat, in der Bürgerschaftsdebatte um das weitere Vorgehen Bremens im Streit um die Ansiedlung von Einzelhandel jenseits der Landesgrenze. Und CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau machte gleich zwei Hechte aus. Erstens: Bremens Nachbargemeinde Stuhr. Auch bei einer gemeinsamen Raumplanung, sagte Perschau, gebe es „immer das Risiko, dass einzelne Gemeinden der Versuchung unterliegen, hier den Hecht im Karpfenteich zu spielen“. Ein Verhalten, dem nach Meinung Perschaus nur mit Härte begegnet werden dürfe: Bremen müsse daher weiter klagen, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg, das den Baustopp für das Factory-Outlet-Center unlängst aufgehoben hat, sei „keine Basis für eine ersprießliche Zusammenarbeit mit dem Umland“.
Den zweiten Hecht indes witterte Perschau nicht jenseits der Landesgrenze, sondern innerhalb der eigenen Koalition. Sein Name: Carsten Sieling. Der SPD-Fraktionschef nämlich, der nun öffentlich dazu aufrufe, die Klage zurückzuziehen, habe ebenjene noch vor einem halben Jahr selbst befürwortet, erinnerte Perschau. Wer sich „mit ein paar flotten Sprüchen aus der gemeinsamen Verantwortung ziehen“ wolle, der mime ebenfalls den „Hecht im Karpfenteich“ – und das, fand Perschau, sei „ein bisschen mies“. Sieling wollte lieber nicht direkt drauf antworten.
Also trat die Grünen-Baupolitikerin Karin Krusche ans Mikrofon – und stellte sich hinter die CDU. Zwar müsse die Politik im Mittelpunkt stehen. Die Klage zurückzuziehen aber sei das falsche Signal: „Wenn man eine gemeinsame Region werden will, dann geht es nicht, dass jeder macht, was er will.“
Sieling lieferte das eine Steilvorlage. Noch vor gerade einmal einer Woche, zitierte er eine Pressemitteilung der Grünen, hätten diese den Klageweg explizit als „Sackgasse“ bezeichnet. Zwei Tage später, in der Baudeputation, habe Krusche dann „in einer ziemlich schrägen Koalition“ mit der CDU ausdrücklich dafür gestimmt, die anhängige Klage gegen die Baugenehmigung weiter zu betreiben.
Zwar habe auch er, im Frühjahr, der Klage zunächst zugestimmt, räumte Sieling ein. Inzwischen habe sich die Situation aber geändert: Das OVG habe gegen Bremen entschieden und den Baustopp aufgehoben. Und auf dem Radio-Bremen-Gelände, ebenfalls nahe der Landesgrenze und der Autobahn gelegen, plane Bremen inzwischen selbst gigantische Einzelhandelsflächen.
Mit dem bisherigen Rechtsstreit, analysierte Sieling, habe Bremen „wenig erreicht“, aber „erhebliche Kollateralschäden“ verursacht. CDU-Bausenator Jens Eckhoff dürfe nun „nicht stur weitermachen“, sondern müsse eine politische Lösung des Konflikts ermöglichen. „Das klare Signal an die Nachbargemeinden, dass wir den Konsensweg wollen, ist verschüttet worden“, monierte Sieling. „Wenn wir nicht klagen, dann nimmt niemand mehr auf Bremen Rücksicht“, hielt Perschau dagegen.
Der Hecht, den Perschau so bemühte, lehrt vielleicht anderes. Der Überlieferung nach kommt er nämlich nicht von alleine in den Karpfenteich. Er wird vielmehr hineingesetzt – um die langsamen, kranken Karpfen zu fressen. Damit es keine Epidemie gibt. Armin Simon