: Kriminalität im Norden: die Ermittlungsergebnisse des Max-Planck-Instituts
Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Die Kriminalitätsrate ist im Norden Deutschlands höher als im Süden. Das sagt die polizeiliche Kriminalstatistik. Allerdings tauchen dort nur die Fälle auf, von denen die Polizei Kenntnis erlangt, die Dunkelziffer (Kriminologen sprechen vom „Dunkelfeld“) wird dabei nicht erfasst. Nach derzeitigen Schätzungen macht das Dunkelfeld etwa 90 Prozent aller Straftaten aus. Selbst jedes zweite Tötungsdelikt in der Bundesrepublik wird nicht registriert.
Einige Kriminologen meinen, dass die Polizeistatistik nicht ein tatsächliches Kriminalitätsgefälle abbildet, sondern in einem unterschiedlichen Anzeigeverhalten begründet liegt, nach dem Motto: im Norden sind sie gewissenhafter. Die Forschungsgruppe Kriminologie des Max-Planck-Instituts in Freiburg bezweifelt diese These. Bei einer flächendeckenden „Dunkelfeld-Studie“ fand sie heraus, dass der Norden auch im Dunkelfeld eine deutlich höhere Kriminalitätsbelastung aufweist als der Süden.
Die Forschungsgruppe erhob daraufhin in den 1990er Jahren 22 weitere Variablen. Das Ergebnis: Nicht nur die Kriminalitätsrate war im Norden höher, sondern auch Indikatoren wie die Selbstmordrate und die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden (siehe das obige Interview). Gleichzeitig war der Süden bei sozialen Indikatoren wie Einkommen oder Anteil von Arbeitslosen und Wohngeldempfängern deutlich im Nachteil. Die Forscher des Freiburger Max-Planck-Instituts sahen da einen Zusammenhang.
Mittlerweile sind die Unterschiede nicht mehr so groß, aber immer noch signifikant. Laut polizeilicher Kriminalstatistik kamen im Jahr 2004 auf 100.000 Einwohner registrierte Straftaten: Baden-Württemberg 6.111, Bayern 5.753, Schleswig-Holstein 9.095, Niedersachsen 7.300. Es gibt also auch innerhalb des Nordens ein Nord-Südgefälle.
Um die Dunkelziffer auch aktuell einzurechnen, führte das Max-Planck-Institut 2005 eine „Opferstudie“ über die letzten fünf Jahre durch. Danach sind in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen 46,6 Prozent der Einwohner Opfer geworden, im Süden 38,4 Prozent. Die Folgerung des Max-Planck-Instituts: Noch immer weist der Norden eine höhere „Kriminalitätsbelastung“ auf als der Süden, und die lässt sich nicht allein mit einer unterschiedlichen Anzeigenquote erklären. wie