Mehr Licht!

Eine zunächst eigentümlich-heitere Groteske, die zunehmend rührseliger wird und eine merkwürdige Leere umkreist: Liev Schreibers Verfilmung von Jonathan Safran Foers Roman „Alles ist erleuchtet“

VON GERRIT BARTELS

Man hatte es seinerzeit bei der Lektüre kaum für möglich gehalten: dass Jonathan Safran Foers vermeintlich ausladender und erzähltechnisch überaus gewitzter Debütroman „Alles ist erleuchtet“ aus dem Jahr 2002 irgendwann einmal verfilmt werden könnte, und das ganz getreu der Vorlage. Aber es geht, wie das Regiedebüt des amerikanischen Schauspielers Liev Schreiber beweist. Schreiber hat einfach einen der beiden Erzählstränge weggelassen: die wunderliche und eigentlich keine Zeit und keinen Raum kennende Geschichte des galizischen Stetls Trachimbrod und seiner Bewohner vom 18. Jahrhundert bis ins Jahr 1941. Und Schreiber hat natürlich auch den die zwei Erzählstränge des Romans kommentierenden Briefwechsel zwischen dem amerikanischen Autor und Romanhelden Jonathan Safran Foer und dem ukrainischen Romanhelden und Autor Alexander Perchow vollständig ignoriert.

Übrig geblieben ist die Geschichte des jungen Jonathan, der sich eines Tages auf die Reise in die Ukraine macht, um sich auf die Spur seines Großvaters zu begeben (und damit auch auf die eigene) und eine Frau namens Augustine zu finden. Jonathan hat diese auf einem alten Foto neben seinem Großvater stehen sehen, sie war es, die diesem seinerzeit die Flucht vor den Nazis nach Amerika ermöglichte. Für seine Spurensuche braucht Jonathan einheimische Hilfe: Ein junger, selbstbewusster, goldkettchentragender B-Boy aus Odessa, Alexander Perchow, und dessen grummeliger Großvater übernehmen für Jonathan zusammen mit ihrer kleinen Hündin Sammy Davis jr. jr. die Reiseleitung.

Ein Amerikaner in der tiefsten osteuropäischen Provinz, ein lebensunerfahrener, neurotischer New Yorker Jude, der vom einstigen Oberhobbit Elijah Wood bis an die Grenze der Nichtschauspielerei beeindruckend ausdruckslos dargestellt wird, und zwei skurrile, antisemitische Provinzler (Eugene Hutz als Alexander, Boris Leskin als Großvater) mitsamt Hündin, die in der Folge auf haufenweise andere skurrile und in der Regel sprachfaule Provinzler treffen – für dieses Aufeinandertreffen zweier Kulturen nimmt sich Liev Schreiber viel Zeit, und sorgfältig entwickelt er ein zunächst recht eigentümliches Road-Movie.

Dieses steckt mit seinem elegisch-heiteren Blasmusiksoundtrack voller Folklore, erinnert an die Filme eines Emir Kusturica und ist zuerst vor allem lustig, etwa wenn das unterschiedliche Englisch von Alexander und Jonathan für allerlei Missverständnisse sorgt; oder wenn die drei ein gemeinsames Abendessen einnehmen und es Jonathan nach einem in der Ukraine völlig unüblichen vegetarischen Gericht verlangt, er sich aber mit Kartoffeln begnügen muss. „Alles ist erleuchtet“ wird dann aber, als die Suche schließlich einigermaßen erfolgreich verläuft und sich der Großvater als eine entscheidend in das vergangene Geschehen involvierte Person entpuppt, immer rührseliger.

Man kann Schreibers Verfilmung tatsächlich kongenial nennen – wie der Roman ist der Film genauso unterhaltsam und komisch wie rührend und tragisch. Wie nach der Lektüre von Jonathan Safran Foers inzwischen zwei Romanen aber bleibt auch hier ein schaler Beigeschmack. Man hat das Gefühl, zwar anregend unterhalten zu werden und einen Film mit tollen erzählerischen Einfällen zu sehen, mit einer interessanten Verrätseltheit. Doch gerade dort, wo sich der Stoff richtig entfalten könnte, dort, wo es um den Holocaust und die Auslöschung osteuropäisch-jüdischer Lebenswelten geht, auch um die Folgen für nachfolgende Generationen, bleibt die Geschichte merkwürdig leer, so leer wie die Gegend, in der sich die kleine Reisegemeinschaft auf die Suche macht: Hauptsache, das Sonnenblumenfeld leuchtet schön gelb und groß.

So dient der komplex-fürchterliche historische Hintergrund lediglich als Gerüst, um, wie in Safran Foers Romanen, leichte Abhandlungen über die Liebe und den Tod schreiben zu können und schwierige Verstrickungen wie die des Großvaters höchstens anzureißen, aber bloß nicht auszuformulieren.

Oder, wie hier in dem Film, eine komische und zunehmend sentimentalistischer werdende Groteske auf Hollywood-Art zu zeigen. Am Ende hat man dann auch nicht das Gefühl, als sei Jonathan der Geschichte seines Großvaters und dessen Lebensretterin und damit der eigenen Identität entscheidend auf den Grund gekommen. Was bleibt, sind ein paar Tränchen, die man in seinem Kinosessel verdrücken kann, und draußen hat man den Film schon wieder vergessen.

„Alles ist erleuchtet“. Regie: Liev Schreiber. Mit Elijah Wood, Eugene Hutz, Boris Leskin u. a. USA 2005, 103 Minuten