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Archiv-Artikel

Die Heiligung der „Bild“-Zeitung

betr.: „Von Tag zu Tag wird’s schmutziger“, taz vom 10. 12. 05

Als Helmut Kohl ins Kanzleramt einzog, fand er als Regierungssprecher Diether Stolze von der Zeit vor, einen durch und durch honorigen Journalisten. Den schickte er schleunigst in die Wüste und holte sich Peter Boenisch, und das war die Heiligung der Bild-Zeitung, die in dem von dem Artikel angesprochenen Deal mit dem Vatikan ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Übrigens blieb es seinerzeit Heinrich Böll vorbehalten, seine Stimme zu erheben und mit „Bild. Bonn. Boenisch“ (Lamuv-Verlag, Sept. 1984) aufmerksam zu machen auf das, was sich da anbahnte, nachdem er in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ bereits gezeigt hatte, wie Bild entwürdigt und erniedrigt.

Auf eine Stimme wie die von Henschel habe ich lange gewartet; dass sie gehört und verstanden wird, bezweifle ich. Man sollte übrigens die von ihm ausgebreiteten Gedanken unbedingt mit dem heuchlerischen Gejammer über Pisa-Ergebnisse zusammenstellen: Woher, bitte schön, soll ein intellektuelles Niveau kommen, wenn nicht einmal die in der Politik Verantwortlichen merken, wem sie sich da ausliefern? Können wir von allen Eltern und Lehrern erwarten, dass sie einen Richard von Weizsäcker an Klugheit, Einsicht und Anstandsgefühl übertreffen? Also.

Bei Neil Postman steht irgendwo: Es gibt Menschen, die sauberes Wasser noch getrunken haben, die noch wissen, wie es schmeckt. Aber die wenigen, auf die das zutrifft und die sich dessen bewusst sind, können die geistige Landschaft in Deutschland wohl nicht mehr verändern. ELISABETH KASCH, Reinbek