: Der Antiterrorkampf beginnt am Telefon
Europaparlament stimmt für Speicherung aller Telekom-Daten. Maximale Aufbewahrungszeit beträgt zwei Jahre
BRÜSSEL taz ■ Zu einem Lieblingsprojekt seiner Präsidentschaft hatte der britische Innenminister Charles Clarke die Speicherung von Internet- und Telefondaten erklärt. Vor allem seit den Anschlägen in der Londoner U-Bahn im Juli will die britische Regierung mehr europäische Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung.
Zunächst sorgte sich das EU-Parlament um den Datenschutz. Doch gestern stimmte eine große Koalition aus Sozialisten und Konservativen für den Vorschlag der EU-Kommission. Damit wurde das Gesetzesverfahren in Rekordzeit abgeschlossen.
Die Mitgliedstaaten müssen die Unternehmen anweisen, Verbindungsdaten über alle Gespräche in den festen und mobilen Telefonnetzen sowie über E-Mail-Kontakte mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre aufzubewahren. Ob auch erfolglose Gesprächsversuche aufgezeichnet werden, entscheidet jedes Land selbst. Die Kommission wollte die Mitgliedstaaten verpflichten, den Unternehmen ihren zusätzlichen Aufwand zu erstatten. Auch das bleibt den Ländern überlassen.
Innenminister Schäuble hat mehrmals betont, für Entschädigungen sehe er keinen Anlass. Wer auf die Daten zugreifen darf, bleibt ebenfalls weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen. Sie sollen für Ermittlungen gegen „schwere Straftaten“ zur Verfügung gestellt werden. Was darunter zu verstehen ist, regelt das Gesetzbuch des Landes, in dem die Daten gespeichert werden.
Das EU-Parlament wollte zunächst nur über eine Speicherfrist von höchstens einem Jahr mit sich reden lassen. Einen entsprechenden Vorschlag des liberalen Abgeordneten Alexander Alvaro nahm der zuständige Ausschuss an. Viele Abgeordnete haben Bedenken, hoch sensible Datenberge anzuhäufen. Das sei „ein Dammbruch zulasten des Datenschutzes“, sagt die PDS-Abgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann. Damit stelle man „460 Millionen Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht“.
Auch bei Konservativen und Sozialisten zweifeln viele, ob Aufwand und Ertrag bei der Vorratsdatenspeicherung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Rat und Kommission hätten den Wert der Daten für die Strafverfolgung nicht zweifelsfrei dargelegt, meint der konservative Abgeordnete Alexander Stubb aus Finnland: „Ich glaube, wir jagen nur die dummen Gangster, die nicht verstanden haben, dass sie eine Prepaid-Karte kaufen oder über Hotmail ihre Identität verbergen können.“
Die beiden größten Fraktionen, die Europäische Volkspartei und die Sozialisten, schlossen trotzdem eine Vereinbarung mit dem Rat, um ohne eine zweite Lesung auszukommen. Dafür kam der Ministerrat den Datenschutzbedenken der Abgeordneten entgegen. Wer Zugang zu den gespeicherten Daten hat, ist präziser definiert. Ansonsten übernahmen die Abgeordneten die Vorlage der Innen- und Justizminister. DANIELA WEINGÄRTNER