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Archiv-Artikel

Angst vor dem Vergessen

Anja Osthoff ruft die Deutschen zu mehr Solidarität mit ihrer im Irak entführten Schwester Susanne auf. Mehrere Mahnwachen für die Verschleppten sind geplant

BERLIN taz ■ Anja Osthoff lächelt unsicher in das Licht der Fernsehkameras. Sie beginnt mit einer Entschuldigung. „Ich bin im Umgang mit Medien nicht geübt, deshalb spreche ich vielleicht nicht so professionell, wie Sie es gewohnt sind“, sagt sie. Dann erzählt sie vor rund fünfzig Journalisten in der Bundespressekonferenz von ihrer Angst. Von der Angst, dass die deutsche Öffentlichkeit ihre entführte Schwester Susanne Osthoff vergessen könnte.

„Wir wissen, dass für die französischen und italienischen Geiseln die Anteilnahme in ihrer Heimat sehr wichtig war“, sagt Anja Osthoff. Dort hätten die Medien ununterbrochen über die Geiseln berichtet und die Menschen seien auf die Straße gegangen. Für ihre Schwester wünscht sie sich auch solche Solidaritätsbekundungen: „Susanne muss glauben können, dass wir sie nicht vergessen.“ Am 25. November war die 43-jährige Archäologin mit ihrem Fahrer im Nordirak verschleppt worden.

Anja Osthoff fordert die Deutschen dazu auf, einen öffentlichen Appell zur Freilassung zu unterzeichnen und an Mahnwachen für die Geiseln teilzunehmen. Die Hilfsorganisation action medeor organisiert eine bundesweite Unterschriftensammlung im Internet (www.medeor.org). Für die Hilfsorganisation hatte Susanne Osthoff während des Irakkriegs 2003 lebenswichtige Medikamente im Krisengebiet an Krankenhäuser verteilt.

„Gerade durch Menschen wie Susanne Osthoff ist humanitäre Hilfe in Krisengebieten erst möglich“, sagte Bernd Pastors, Vorstandsmitglied von action medeor. „Das sollte niemand in Deutschland vergessen.“ In den Medien komme die soziale Arbeit ihrer Schwester im Irak meist zu kurz, kritisiert Anja Osthoff: „Susanne wird oft einfach nur als Abenteurerin dargestellt.“ Vielleicht seien die Menschen aber beim Thema Irak auch abgestumpft.

In Berlin sollte gestern Abend eine Mahnwache am Brandenburger Tor stattfinden. Die Türkische Gemeinde in Deutschland hatte zu der Kundgebung aufgerufen. Nach der großen Hilfe, die die Türkei nach dem Erdbeben 1999 aus Deutschland erfahren hatte, wolle man nun Solidarität mit Deutschen zeigen, sagte Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde. Dass Susanne Osthoff zum Islam konvertiert sei, sei dafür aber nicht entscheidend.

In Nürnberg sollte es ebenfalls eine Mahnwache geben. Für heute ist eine weitere Kundgebung in München geplant. Bei einer Mahnwache am vergangenen Samstag hatten sich in München allerdings nur eine Hand voll Menschen beteiligt.

Unterdessen berichtete das ZDF, dass die Bundesregierung mit Mittelsmännern in Verbindung stehe, die Kontakt zu den Entführern haben. Allerdings nannte der Fernsehsender keine Quelle für diese Information. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes wollte gegenüber der taz den Bericht inhaltlich nicht kommentieren. Sie sagte lediglich, die Bemühungen um die Freilassung von Susanne Osthoff und ihrem Fahrer würden fortgesetzt. JAN PFAFF