: Wer wie wurde, was er heute ist – sechs Beispiele
Nicht jeder, der nachweislich mit der Stasi kooperiert hat, ist nach 1989 gescheitert. Der HVA-Spitzel Warnig etwa ist Chef der Dresdner Bank Russland
BERLIN taz ■ „Wo ist meine Akte?“ Unter diesem Motto stürmten die Mitglieder der Bürgerbewegung vor 16 Jahren die Stasi-Zentralen. Zuerst in den Bezirkshauptstädten der DDR, schließlich dann die Kreiszentralen. Vielerorts begann ein Wettlauf gegen die Vernichtung: Noch als die Demonstranten vorn die Türen aufbrachen, vernichteten hinten die Stasi-Leute Akten.
16 Jahre danach ist die Stasi noch immer präsent. Zum Beispiel bei Gerhard Schröder und der Ostsee-Gaspipeline: Chef der Betreibergesellschaft soll Matthias Warnig werden, derzeit Chef der Dresdner Bank Russland. Früher war Warnig Stasi-Spitzel – für die Abteilung XV der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) schnüffelte er im „Zielgebiet Bundesrepublik“ Rüstungstechniker und Flugzeugingenieure aus. Schon damals hat Warnig davon richtig gut gelebt: Nach internen Daten der Stasi zahlte diese ihm 1989 Basisbezüge von 25.680 DDR-Mark – knapp das Vierfache des DDR-Durchschnittslohns.
Im „Zielgebiet Bundesrepublik“ spitzelte auch Diether Dehm, der heute für die Linkspartei.PDS im Bundestag sitzt. Hubertus Knabe, Chef der Gedenkstätte Hohenschönhausen im einstigen Zentralgefängnis der Stasi, hat Dehms Vergangenheit recherchiert: Dehm informierte die Stasi nicht nur bis ins Detail über das Leben des ausgebürgerten Wolf Biermann. Als dessen Manager bestimmte er auch, wo der Sänger auftrat.
Aber Dehm lieferte nicht nur Biermann ans Messer. Der DDR-Dissident Jürgen Fuchs zum Beispiel wohnte 1978 eine Zeit lang in Dehms Landhaus. Jetzt also sitzt er im Bundestag – und wird demnächst über die Zukunft des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und die Birthler-Behörde entscheiden.
Nicht als einziger PDS-Abgeordneter mit Stasi-Vergangenheit: Der sächsische Abgeordnete Ilja Seifert hatte bereits Anfang der Neunzigerjahre einräumen müssen, für die Stasi gespitzelt zu haben. Schleswig-Holsteins Linke lassen sich gar von einem Stasi-Offizier im Bundestag vertreten: Lutz Heilmann, über die Landesliste ins die oberste deutsche Volksvertretung eingezogen, war einst für den Schutz von DDR-Bonzen zuständig.
Weiter unten geht es Stasi-Leuten weniger gut: So hat etwa die Berliner Charité einen ehemaligen Major der Staatssicherheit entlassen. Und der Stasi-IM Bernhard Walther, der gerade vom Dresdner Parteitag der PDS zum Schatzmeister gewählt wurde, muss – nach Intervention der Parteispitze – auf den Amtsantritt verzichten.
Und Gerd Spilker wurde gerade von seinem Verlag als Chefredakteur der Ostsee-Zeitung zurückgetreten. Spilker, der sich 1967 schriftlich zum Inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit erklärt hatte, lieferte bis 1980 Spitzelberichte. Warum er ausgerechnet im Springer-Verlag bislang unbehelligt die Strippen ziehen konnte, ist unklar. NICK REIMER