: Auf Wahrheitssuche
STRASSBURG/BERLIN dpa/rtr ■ In der Affäre um angebliche CIA-Geheimgefängnisse in Europa hat das EU-Parlament gestern die lückenlose Aufklärung der Anschuldigungen gefordert. Gleichzeitig verlangten die Abgeordneten die vorbehaltlose Wahrung der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus. „Die amerikanischen und die betroffenen europäischen Stellen sind aufgefordert, schnellstens alle relevanten Informationen offen zu legen“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Elmar Brok (CDU), in Straßburg. Sonst laufe die EU Gefahr, der Glaubwürdigkeit des Westens langfristig zu schaden.
Der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten, Martin Schulz (SPD), verlangte genaue Angaben zu den angeblichen Festnahmen, Verschleppungen und Verhören. Sollten Organe der EU oder ihrer Mitgliedstaaten dazu beigetragen haben, dass es illegale Gefängnisse und Folter in Europa gab, müssten diese Länder entsprechend bestraft werden. Sein österreichischer Parteifreund Hannes Swoboda sagte: „Wir sollten die Vorwürfe untersuchen – ohne Vorverurteilungen, aber auch ohne Blindheit.“
Unterdessen mehren sich die Hinweise, dass die CIA in Polen Terrorverdächtige festgehalten hat. Nach Angaben des Sterns sei im Ausbildungszentrum des polnischen Geheimdienstes im nordostpolnischen Stare Kiejkuty eine abgeschirmte „innere Zone“ errichtet worden. Nur Amerikaner durften sie betreten, nicht aber normale polnische Geheimdienstmitarbeiter.
Nach Aussagen eines hochrangigen polnischen Geheimdienstoffiziers aus Kiejkuty lebten schon seit fünf oder sechs Jahren Amerikaner auf dem Gelände. Sie seien dort jeweils für mehrere Monate geblieben. Die innere Zone sei rund 100 Meter lang und etwa 50 Meter breit gewesen. Stacheldraht und eine drei Meter hohe Mauer hätten sie vom Rest des Geländes getrennt.
Schon länger mutmaßen Menschenrechtler, dass sich in der polnischen Provinz ein CIA-Gefängnis verbirgt. Sowohl die Organisation Human Rights Watch als auch polnische Medien haben mehrfach auf Stare Kiejkuty als möglichen Standort hingewiesen. Schließlich sind die Bedingungen günstig: Der Ort liegt abgelegen und nur rund 20 Kilometer vom ehemaligen Militärflughafen Szymany entfernt. Dort sollen seit Ende 2002 wiederholt Flugzeuge gelandet sein, die der amerikanische Geheimdienst gechartert hatte. Die polnische Regierung will bis zur kommenden Woche eine Untersuchung zu den mutmaßlichen CIA-Gefängnissen abschließen.
Nun stellt auch der deutsche Bundestag Weichen zur Aufklärung der Vorgänge: Er setzte gestern das neue Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) ein, das sich mit den CIA-Aktivitäten befassen soll.
Das PKG hat die Aufgabe, die Arbeit der Geheimdienste zu überwachen. Ihm gehören derzeit neun Parlamentarier an – je drei Abgeordnete von SPD und Union sowie je eine Vertreter der Oppositionsparteien.
Mit dem parteilosen Bundesrichter Wolfgang Neskovic (siehe Porträt) wurde nun erstmals ein Vertreter der Linksfraktion in das Gremium gewählt. Für die Unionsfraktion sitzen Norbert Röttgen, Bernd Schmidbauer und Hans-Peter Uhl im PKG. Die SPD entsendet Olaf Scholz, Joachim Stünker und Fritz Rudolf Körper. Auch Max Stadler (FPD) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) gehören dem Gremium an.