piwik no script img

Archiv-Artikel

Wollitz’ Wutrede

NERVENFLATTERN Der VfL Osnabrück ist zum Aufsteigen verdammt, hätte gegen Rostock aber fast gepatzt

„Noch sieben Spiele für die Zukunft des Osnabrücker Fußballs“

TRAINER CLAUS-DIETER WOLLITZ

Auf dem Tisch für die Pressekonferenz stand noch das Schild mit dem Namen des Co-Trainers. Chefcoach Claus-Dieter Wollitz sei krank, hieß es am Samstag. Doch nachdem Fußball-Drittligist VfL Osnabrück mit dem Schlusspfiff das schon verloren geglaubte Spiel gegen Hansa Rostock noch in einen 3:2-Sieg verwandelte, saß Wollitz dann doch am Mikro. Und wie!

Emotionen ist man von dem 47-Jährigen seit Jahren gewohnt, auch Hasstiraden gegen Presse und Schiedsrichter. Wollitz geht auch schon mal freiwillig auf die Tribüne, bevor ihn der Referee dazu auffordert. Nun kommt auch noch die blanke Verzweiflung hinzu. „Für die Gesamtsituation bin ich nicht verantwortlich“, schrie der Coach in Richtung Presse und meinte damit die prekäre finanzielle Lage des Vereins. Steigt der VfL nicht auf, muss noch mehr gespart werden. Die hohe Verschuldung kann nur mit den Mehreinnahmen in der Zweiten Bundesliga aufgefangen werden. Oder eben mit einer extremen Reduzierung des Etats für die kommende Saison.

Dann droht auf lange Sicht das Dümpeln im Mittelfeld der ungeliebten Dritten Liga. Jeder weiß das. Daher herrscht schon seit Monaten die nackte Angst in Osnabrück. Nach Wochen auf Platz eins, waren die Lila-Weißen auf Rang vier zurückgefallen und die Stimmung ist wie bei einem Abstiegskandidaten.

„Wir haben noch sieben Spiele für die Zukunft des Osnabrücker Fußballs“, versucht Wollitz dagegenzuhalten. Während des Spiels gegen Rostock war er von den Sitzplätzen dazu aufgefordert worden, seinen Trainerschein abzugeben. Das nimmt ein Mann wie Wollitz hoch persönlich: „Ich hatte im Sommer nur 14 Tage Zeit, eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammenzustellen“, rechtfertigte er sich, sichtlich erregt.

In Wollitz’ Ansprache entlud sich der ganze Druck dieser Spielzeit. Und er fühlte sich zu Unrecht kritisiert. Denn tatsächlich ist es ihm gelungen, mit wenig Geld ein Team zu formieren, das immer noch um den Aufstieg mitspielt. Und seit Samstag hat man wieder den Relegationsplatz erreicht, da Konkurrent Preußen Münster bei Dortmund II nur ein Remis erreichte. Doch die Westfalen haben noch ein Nachholspiel ausstehen, könnten dann am VfL wieder vorbeiziehen. Auch der Liga-Zweite Bielefeld kam nicht über ein 0:0 gegen Darmstadt hinaus und liegt nur noch ein Punkt vor Osnabrück.

Dass Osnabrück wieder im Rennen um den Aufstieg dabei ist, verdankt es der Winterverpflichtung Emil Jula mit seinen zwei sehenswerten Treffern. „Der spielt hier nur, weil ich ihn kenne“, betonte Wollitz anschließend. Denn für das Gehalt und in der Situation wäre der Rumäne sonst kaum zu den Niedersachsen gekommen. Aber der Trainer hat nur zwei Stürmer zur Verfügung. Jede Gelbsperre, jede Verletzung bedeutet Zittern um die Zukunft. Und deshalb liegen in Osnabrück die Nerven bei Verantwortlichen, Anhängerschaft und Mannschaft blank.

Deren Nervosität war am Samstag auf dem Spielfeld in der ersten Halbzeit mehr als deutlich zu spüren. Doch Wollitz gibt nicht auf. Das würde auch nicht zu ihm passen. „Wir können am 18. Mai aufsteigen!“, sagt er fast beschwörend. Doch mit diesem Druck wird das ein anstrengendes Unterfangen.HEIKO OSTENDORF