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Archiv-Artikel

Die IsraelfrageAufklärung gescheitert

Über den Film „Warum Israel“ ist in Hamburg ein Streit entbrannt. Doch wer sind die Leute, die den Film zeigen wollten?VERWEISSTRUKTUR Durch die zunächst verhinderte Vorführung des Claude-Lanzmann-Films „Warum Israel“ hat die Gruppe „Kritikmaximierung Hamburg“ von sich reden gemacht. Doch wofür stehen die Kritikmaximierer eigentlich? Ein Annäherungsversuch

„Warum Israel“

1973 drehte Claude Lanzmann seinen Dokumentarfilm über die Gründung des Staates Israel.

■ Der Film spürt die Utopie einer auf Gleichheit basierenden jüdischen Gesellschaft auf und kontrastiert sie mit ihren realen Widersprüchen.

■ Ein erster Versuch der Gruppe Kritikmaximierung Hamburg, den Film im Kino B-Movie zu zeigen, wurde im Oktober von der anti-imperialistischen Gruppierung B 5 verhindert.

■ Am Montag wird der Film nochmals in Hamburg gezeigt, diesmal in Lanzmanns Anwesenheit. Beginn ist um 19 Uhr im Uebel & Gefährlich. Bei der anschließenden Diskussion mit Hermann Gremliza und Klaus Theweleit wird vermutlich auch die Gruppe Kritikmaximierung Hamburg anwesend sein.

VON LENA KAISER

Anlässlich der verhinderten Filmvorführung von Claude Lanzmanns Film „Warum Israel“ im Programmkino B-Movie auf St. Pauli ist der Name der Gruppe „Kritikmaximierung Hamburg“ immer wieder aufgetaucht: Die Kritikmaximierer wollten den Film zeigen, eine andere Gruppe aus dem traditionell pro-palästinensischen, antiimperialistischen Umfeld des „Internationalen Zentrums B 5“ hat sie mit einer Agitprop-Blockade gewaltsam daran gehindert. Die Gruppe Kritikmaximierung erklärte, die Blockierer seien nicht von ihrem Vorhaben abzubringen gewesen und es sei ihnen auch nicht zu vermitteln gewesen, dass die Verhinderung einer Filmvorführung eines antifaschistischen Regisseurs und Holocaust-Überlebenden einen Skandal bedeute. Die Blockierer seien „schlicht keiner vernünftigen Diskussion zugänglich“ und würden seit Jahren bestätigen, wie aktuell das Problem des linken Antisemitismus sei.

Um den „Antisemitismus von links“ drehte sich dann auch die anschließende öffentliche Debatte. Im Tagesspiegel war von „wild gewordenen Antifas als tätige Antisemiten“ die Rede und Spiegel Online erinnerten die Augenzeugenberichte an die 1930er Jahre.

Bemerkenswert ist, dass es in der Auseinandersetzung um die Filmblockade kaum um die Frage nach der politischen Position der Kritikmaximierer ging. Obwohl die B 5 ihre Blockade auch als Intervention gegen diese begründete, die sie dem „antideutschen Lager“ zurechnete, eine Zuschreibung, die die Kritikmaximierer freilich ablehnten. Das Neue Deutschland verstand den Streit als eine „irrsinnige Szene-Auseinandersetzung“, die zum internationalen Skandal wurde, „an dem Die Zeit, Der Spiegel, Le Monde und Wallstreet-Journal kräftig mitmischten“.

Vor dem „Skandal“ war Kritikmaximierung „nun wirklich keine Gruppe, von der mehr als 100 Leute auf der Welt wissen“, so Daniel Richter in einem Interview mit welt.de. Seither ist der Name häufig gefallen. Doch wer sind die Kritikmaximierer und was wollen sie?

Wir treffen uns im Hinterhofkino B-Movie, ab und zu geht die Tür auf, Kinobesucher treten ein. Ein Kritikmaximierer, ein Student, der seinen Namen nicht verraten möchte, erklärt, dass „Kritikmaximierung Hamburg“ eine politische Gruppe sei, „die im weitesten Sinne das Ziel verfolgt, eine emanzipatorische Politik voranzubringen“. Innerhalb der Gruppe würden aber durchaus unterschiedliche Theorierichtungen vertreten. „Wir wollen möglichst offen an alle interessierten Menschen herantreten.“ Daher lehne man ein Labeling wie „antideutsch“ ab.

Auf der Internetseite der Kritikmaximierer gibt es einen Text zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik Deutschland, „Deutschland pfänden und versteigern“. Es handelt sich um eine längere Ausführung zur postnazistischen Vergangenheitspolitik, Verfasser ist die AG Erinnerungspolitik: Die Deutschen blickten zufrieden auf ihre Erfolgsgeschichte von parlamentarischer Rechtsstaatlichkeit „mit weltmeisterlichen Exportzahlen“ und relativem Wohlstand zurück, doch sei dieser Rechtsstaat „aus den Erträgen der Vernichtung geformt“. Das deutsche Erfolgsmodell „beginnt als Volksgemeinschaft; als Wiederherstellung nationaler Souveränität zur Anzettelung eines zweiten Weltkriegs; mit der Zerschlagung und Ermordung von Oppositionellen; der Internierung, Tötung und / oder Zwangssterilisierung von Sinti, Roma, Homosexuellen und geistig Behinderten; beginnt als Entrechtung und Beraubung, als Demütigung und Vernichtung zuerst der deutschen und dann der europäischen Jüdinnen und Juden“. Es sollte „der Linken“ nun, im „Gedenkjahr“ 2009 darum gehen, das Bild des „gelungenen bürgerlich-demokratischen Projekts“ anzukratzen und eine Gesellschaftskritik zu formulieren, die das aufgeklärte Subjekt dazu befähigt, „Störenfried der Erinnerung“ zu sein.

Es gehe ihnen darum, kritisch in die Gesellschaft hinein zu wirken, sagt der Kritikmaximierer beim Gespräch im B-Movie. Das spiegele sich auch in ihren Veranstaltungen wider, zum überwiegenden Teil Vorträge mit anschließender Diskussion. Darunter eine Reihe zum Thema „Krise und Kritik“ und eine Podiumsdiskussion in der Roten Flora mit dem programmatischen Titel „Gegen Ohne Für“.

Die weiteren Gespräche gestalten sich schwierig. Meine Kontaktperson sagt, sie sei bei den letzten Treffen nicht mehr dabei gewesen und könne somit nicht mehr für die Gruppe sprechen, werde meine Anfrage aber weiterleiten. Schließlich kommt ein Telefongespräch mit einem anderen Kritikmaximierer zustande. Da er keine Rücksprache mit der Gruppe gehalten habe, handele es sich bei diesen Ausführungen nicht um ein zitierfähiges Gespräch, erklärt er nach einem längeren Telefonat, in dem er darlegt, was es mit seinem Antisemitismus-Begriff auf sich hat. Dieser werde durch die Kritik des verdinglichten Denkens in der „Dialektik der Aufklärung“ begründet. Man könne dazu Lukacs, Marx, Adorno und Horkheimer lesen, „wo es nach 1942 vor allen Dingen um die Frage des Antisemitismus geht“. Wolle man es kürzer haben, ließen sich dazu auch Léon Poliakov oder Jean Améry lesen, die über den Antisemitismus von links, der in der Form des Antizionismus daher komme, geschrieben hätten. In fünf Sätzen ließe sich das nicht zusammenfassen.

Dann wird er deutlich. „Warum wollen Sie darüber schreiben?“ Wer wie ich die Argumentation der Blockierer, es gehe um einen inner-linken Konflikt, darstelle, stehe faktisch schon auf ihrer Seite. Dabei handele es sich doch um eine Sache, die von linken Befindlichkeiten losgelöst sei – die für sich selbst spreche: ein antisemitischer Akt. „Das Interessante ist, dass alle möglichen Leute außerhalb der linken Szene das begriffen haben“, während sich die linke Szene auf die Gruppe Kritikmaximierung kapriziere.

Das Argument, dass man die verschiedenen Positionen darstellen müsse, lässt er nicht gelten. „Warum wollen sie Positionen darstellen, sie sollen Positionen ergreifen“, erwidert er. „Sie reden mit Leuten, die total durchgeknallt sind und nehmen sie auch noch für voll.“

Die Kritikmaximierer haben schon einmal im Juni 2008 auf sich aufmerksam gemacht, als sie gegen die Inszenierung von „Paradise Now“ im Schauspielhaus Hamburg protestierten. In dem Stück werde das Selbstmordattentat ästhetisiert und verharmlost. „Schluss mit dem Theater! Paradise No!“, stand auf den Flugblättern, die die Kritikmaximierer verteilten. Der Erwerb einer Paradise Now-Eintrittskarte sei „eine der dümmsten Optionen des Warentauschs“. Die zehn Euro Eintrittskartengeld solle man lieber für eine Flasche guten Wein ausgeben.

Die Kritikmaximierer trennt von der antiimperialistischen Fraktion nicht nur ihre Position im Palästina-Israel-Konflikt. Sie lehnen eine Kritik ab, die die herrschenden Verhältnisse personifiziert. In einer Mail, die direkt nach meinem Telefonat eingeht, verweist mein Kontaktmann auf das Vorwort zum „Kapital“, in dem Marx die ökonomischen Funktionsträger als „Charaktermasken“ beschreibe. Dabei werde die „Erfahrung der unpersönlichen, sich aber durch reale Menschen exekutierende Herrschaft angezeigt“. Dass Menschen auch real schlecht handelten, sobald sich ihnen die Möglichkeit eröffnet, reiche mithin kaum aus, um den Gang der „ökonomisch-gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion von Gleichheit und Ungleichheit, Freiheit und Unfreiheit, aufrechtzuerhalten, geschweige denn zu erklären“.

Das sei, schreibt mein Kontaktmann, selbstverständlich eine „private Ansicht“, da er nicht für die Gruppe sprechen könne. Zwei Wochen später kommt die letzte Mail: Er habe kein Interesse mehr, sich mit mir zu unterhalten. „Wie aus Ihren Artikeln ersichtlich ist, verpuffte all mein telefonischer Elan an Ihrer geistigen Resistenz. Meiner Ansicht nach müssen Sie, ich sagte es bereits, Ihren eigenen Bildungsprozess durchlaufen, vielleicht können Sie dann auch Geschehen gesellschaftlich begreifen.“