: Sparschwein-Rennen
SPD und Grüne kritisieren schwarz-gelbe Finanzen – und umgekehrt
VON ANDREAS WYPUTTA
Der Landeshaushalt Nordrhein-Westfalens für das Jahr 2006 bleibt heftig umstritten: In einer hochemotional geführten Plenardebatte haben Oppositionspolitiker von SPD und Grünen der Landesregierung Bilanzfälschung und Wählertäuschung vorgehalten. Schon mit seinem Nachtragshaushalt für 2005 habe Finanzminister Helmut Linssen (CDU) die Neuverschuldung mit 7,3 Milliarden Euro auf eine neue Rekordhöhe getrieben, kritisierten die Finanzexperten von Grünen und SPD, Rüdiger Sagel und Gisela Walsken.
Mit dem nun vorliegenden Haushaltsentwurf für 2006, der eine Neuverschuldung von immer noch 5,89 Milliarden Euro vorsieht (Text rechts), versuche die Landesregierung nun, den Eindruck kräftigen Sparens zu erwecken. Für die Rekordverschuldung des Jahres 2005 solle die rot-grüne Vorgängerregierung verantwortlich gemacht werden, so Sagel. Außerdem verschweige Finanzminister Linssen einfach Mehreinnahmen von rund 840 Millionen Euro, die im laufenden Jahr erzielt worden seien, kritisierte Walsken.
CDU und FDP betrieben stattdessen billige Klientelpolitik, so die Opposition. Statt wie angekündigt 1,5 Prozent der Stellen in der Landesbürokratie abzubauen, habe die Landesregierung zunächst 92 neue Stellen in Staatskanzlei und Ministerien geschaffen. Allein das koste in diesem Jahr 5,5 Millionen Euro. „Und was sagen eigentlich die selbsternannten Bürokratie-Abbauer von der FDP dazu? Nichts“, bilanzierte der Grüne Sagel. Nun werde bei den sozial Schwächsten, bei den Kindern und Jugendlichen gekürzt. Und dennoch fehle Linssen sein selbstgewähltes Ziel der Haushaltssanierung: „Ihr Popanz der Umkehr in der Haushaltspolitik bricht wie ein Kartenhaus zusammen.“
Der Finanzminister habe seine „eigene Messlatte gerissen“, glaubt auch SPD-Finanzexpertin Walsken. Linssen mache „höhere Schulden“, biete „weniger Chancen, aber zusätzliche Privilegien für wenige“, stehe für eine „Politik ohne Herz und Verstand“. Außerdem sei bereits der schwarz-gelbe Nachtragshaushalt für 2005 verfassungswidrig: Schon im laufenden Jahr überstiegen die neuen Schulden die Investitionen um fast 1,5 Milliarden Euro.
CDU und FDP beklagten hingegen den von der rot-grünen Vorgängerregierung zu verantwortenden hohen Schuldenstand des Landes, für den besonders Nordrhein-Westfalens Ex-Ministerpräsident und -finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verantwortlich sei, so CDU-Finanzexperte Volkmar Klein. „Aber warum macht CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel Steinbrück dann zum Bundesfinanzminister“, konterte Sagel gegenüber der taz.
Führende Vertreter der Regierungskoalition hatten den Haushaltsentwurf ihres Kabinettes schon seit Tagen ausführlich gelobt: Linssens Arbeit öffne „die Türen aus dem Gefängnis roter Zahlen“, so CDU-Fraktionschef Helmut Stahl. Der Finanzminister arbeite „ehrlich, mutig und verantwortungsbewusst“, spare „für die Zukunft unserer Kinder“. Gleichzeitig aber musste Stahl einräumen, dass auch Rot-Grün keine höheren Schulden gemacht habe als CDU und FDP im laufenden Jahr: So habe die Neuverschuldung im Jahr 2003 bei rund 6,6, in 2004 bei 6,7 Milliarden Euro gelegen.
Und auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Gerhard Papke lobte Linssens Haushaltsentwurf als „überzeugenden Einstieg in die Sanierung der Landesfinanzen“. Gleichzeitig versuchte der Freidemokrat, den neoliberalen Kurs der FDP auch für die kommenden Jahre festzuschreiben: Landesaufgaben müssten privatisiert, „Verwaltungsstrukturen gezielt abgebaut“ werden, fordert Papke: „Die größte Strecke liegt noch vor uns.“