Der Inbegriff des Blöden

Bloße Provokation? Die Black-Metal-Szene propagiert lautstark „neogermanisches Heidentum“ als vermeintlich „arteigene Religion“. Christian Dornbusch und Hans-Peter Killguss haben sie erforscht

Als „extrem rechts“ stufen die Autoren rund 50 Bands des Szene-Spektrums ein

von Andreas Speit

Der Song „Wolfzeit“ hat eine Message. „Zweitausend Jahre des Irrtums und des Verrats (...) Doch die Zeit der Schmach geht zu Ende (...) All das Nutzlose, all das Schwache und Alte wird zerschmettert (...). Wir sind die Rächer der betrogenen Ahnen, wir sind die Henker des verdammten Judengottes“, intoniert „The true Frost“. Der Song ist in diesem Jahr auf der LP zum 10-jährigen Bestehen der Black Metal- Band aus Salzgitter erschienen.

Deren Frontmann Sadorass alias Sven Goldberg behauptet allerdings, sie hätten „keinen einzigen politischen Text“. Lapidar erklärt er in einem Szenemagazin: „Was wir für Einstellungen haben, ist natürliche eine andere Sache.“ Konkreter erläutert er diese in einem griechischen Fanzine: „Wir sind die Feinde von Jhwh (Jahwe) und seines Stammes.“ Als extrem rechts will die Band trotzdem nicht verstanden werden. Obwohl sie auch den Rechtsrockklassiker von Tonstörung „Deutschland erwache“ coverte: „Heil dem Führer. Heil dem Volk. Heil dem Reich, auf in den Krieg.“ „Die Botschaft ist ja wohl klar“, meint Goldberg.

Provokation oder Politik, Inszenierung oder Intention? In der Öffentlichkeit wird Black Metall (BM) oft als „Inbegriff des Bösen“ wahrgenommen. Die Virulenz satanistischer Motive oder misanthropischer Figuren verstört. Schnell wird die Szene, für die das „Böse“ meist bloß Pop ist, pauschal verurteilt.

Reflektiver untersuchten Christian Dornbusch und Hans-Peter Killguss diese Ambivalenzen in den brutalen Akkorden: Ihr Buch „Unheilige Allianzen“, das heute Abend in Kiel vorgestellt wird, ist das erste, das die ideologischen Hinter- und Abgründe der Szene ausleuchtet. Befund: Seit gut zehn Jahren entwickele sich im BM eine „extrem rechte Szene“, so Dornbusch. In diesem rechten Netzwerk aus Bands, Labels, Fanzines und Konzertorganisationen ist BM „more than music“.

Oder wie „Absurde Horde“ es ausdrückt: „Weißer (BM) entstammt unserem völkischen Unterbewusstsein. (...) Die natürlichste Ideologie für den (BM) ist der Nationalsozialismus.“

An die 50 deutsche Bands bezeichnen Dornbusch und Killgus als „extrem rechts“. So etwa „The true Forst“ oder „Totenburg“.

Diese Bands verdichten extrem rechte Settings. Als nicht rechte Band bewerten sie „Endstille“. Die Kieler, sagt Dornbusch, hätten „nur ein Interesse am Zweiten Weltkrieg“. Krieg und Chaos seien ihr Thema. Extrem rechte Bands würden jedoch vor allem ein „neogermanisches Heidentum“ propagieren. Die „arteigene Religion“ ist zugleich eine Kampfansage an das Juden- und Christentum, die als „artfremde Mitleidmoral“ bekämpft werden.

Gern hören die Fans: „Der Hammer zerschmettert das Kreuz“ der Kultband „Absurd“: „Eisig weht der Wind vom Norden, der die Glut entfacht. Feindesherrschaft muss vergehen, fremder Glaube fällt. Hammerschlag malmt zu Vergangnem, die das Kreuz gewählt.“ Ab 1993 erlangte die Gruppe um Hendrik und Ronald Möbus einen Kultstatus. Mit zwei Komplizen hatte Hendrik Möbus den Mitschüler Sandro Beyer getötet. Heute sitzt er wegen Vertrieb neonazistischer Musik und Leugnung des Holocaust in Haft.

Sein Bruder erhielt eine bessere Sozialprognose: Das Gericht bewertete wohlwollend, dass er das Label „Nebelfee-Klangwerk“ gründete. Bis heute bietet das extrem rechte Produktionen an. Debatten um dessen politische Aufladung laufen in der BM-Szene selbst. Aber um Erfolg zu haben, so Dornbusch, müsse die Auseinandersetzung noch viel strärker in und mit ihr geführt werden.

Christian Dornbusch / Hans-Peter Killgus: Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus, rat-Verlag, 348 Seiten, 18 EuroBuchvorstellung heute, 19.30 Uhr, Pumpe, Haßstraße 22, Kiel