piwik no script img

Archiv-Artikel

Erst kommt Tai-Chi, dann die taz

Monika Ackermann aus Karlsruhe ist die 6.500. taz-Genossin. Für sie ist das ein Weihnachtsgeschenk

Wenn Monika Ackermann (56) im Morgengrauen aufwacht, macht sie erst einmal Tai-Chi auf ihrer großen, liebevoll bepflanzten Terrasse mitten in Karlsruhe. Anschließend gibt es einen Milchkaffee und zur Krönung: die taz. Dabei hat sie nicht einmal ein Abo: „Das mag ich nicht, ich will meine Zeitung selbst beim Händler kaufen.“ So geschieht es seit 17 Jahren, dass Monika Ackermann (56) früh aufsteht, um ihre geliebte Zeitung zu ergattern, denn in Karlsruhe ist die taz oft recht schnell ausverkauft.

In diesem Jahr hat sich die gelernte Künstlerin ein besonderes Weihnachtsgeschenk gemacht: Sie erwarb einen taz-Genossenschaftsanteil im Wert von 500 Euro. „Ich finde das einfach schön, Genossin bei der taz zu sein, denn sie ist das einzige öffentliche Organ in Deutschland, das meinen Interessen entspricht“, sagt Monika Ackermann. Sie möchte, dass die taz weiterbesteht, sie ist ihr ans Herz gewachsen – auch weil sie ein Stück Berlin ist.

In ihrer Studienzeit während der Siebziger ist sie oft vom eher ruhigen Karlsruhe nach Berlin gefahren, hat Freunde besucht und in Buchläden herumgestöbert: „Wenn dann Leute von den K-Gruppen zu Besuch waren, hat meine Freundin immer gesagt, dass ich bloß die Klappe halten soll. Ich war denen nicht politisch genug.“ Ganz im Gegenteil jedoch haben politische Zusammenhänge ihr Leben durchaus mitbestimmt – als Kind hatte sie auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges gespielt. „Im Nachhinein eine erschütternde Erfahrung“, sagt sie.

Monika Ackermann wurde 1948 in Nauen bei Berlin geboren, die Eltern flohen mit ihr in den Westen. Und ohne zu wissen, wie ihr geschah, fand sie sich in immer neuen Auffanglagern und Ortschaften wieder, landete nach einer zweijährigen Odyssee im schwäbischen Biberach: „Das war eine Zeit voller Anarchie, ich musste zwar nicht zur Schule, aber andererseits war der Anpassungsdruck auch sehr stark“, erinnert sie sich. Die Zeit der Anpassung war dann irgendwann im Laufe der Pubertät vorbei, spätestens dann, als sie sich ihre erste Jeans gekauft hatte, mit eigenem Geld, verdient durch Rübenkappen.

Zum Kunststudium nach Karlsruhe! Auf diese Weise lernte sie auch ihren Mann kennen, den bekannten Künstler und Hochschuldozenten Peter Ackermann. Im Moment verwaltet sie sein Werk, es geht ihm nicht gut. Er wird gepflegt im gemeinsamen Haus in der Toskana, wo die beiden 20 glückliche Jahre verbracht hatten: „Ich wollte eigentlich nie nach Italien, aber dann war es doch so wunderschön – der riesige Garten, das Essen“. Doch auch in Karlsruhe findet Monika Ackermann das Schöne, genießt ein ausgiebiges Frühstück am Leopoldsplatz. Oft fährt sie früh morgens mit dem Fahrrad zu ihrem Lieblingsplatz, einem ausgedienten Militärflugplatz bei Karlsruhe: „Ich liebe diese freie Fläche dort, die Natur hat sich den Platz zurückerobert, es gibt dort sogar Steppenesel.“ Sie fotografiert leidenschaftlich gern, seit kurzem digital. Sie malt, erstellt Grafiken.

Monika Ackermann fühlt sich wohl in ihrer Karlsruher Hausgemeinschaft, eine Frau und vier Männer, drei von ihnen lesen: die taz. Man begegnet sich im Flur, tauscht sich aus, mit einem der Herren teilt sie sich sogar ihren Kater Philipp. „Eigentlich ist er nur mein Teilzeitkater“, erzählt sie lachend. Sie lacht gerne, auch über sich selbst. Den Humor schätzt sie auch an „ihrer“ Zeitung: „Es ist diese Mischung aus Ernsthaftigkeit und Witz, die mir gefällt“ – und findet es schräg, dass sie als neues Genossenschaftsmitglied ein Badelaken und eine TOM-Tasse bekommen hat: „Dann kann ich mir das Laken um die nassen Haare wickeln, Kaffee aus der Tasse trinken und die Zeitung lesen“. Zu den Genossenschaftsversammlungen möchte sie nicht kommen („außer man holt mich ab“). Allerdings könnte sich das ändern, falls sie noch mehr Anteile erwirbt: „Dann möchte ich auch endlich mal die Redaktion besichtigen.“

MARTIN REICHERT