: Einer ist der Chef auf dem Platz
Dass sich die Fußballbundesligisten aus Bremen und Hamburg erstmals seit Jahren wieder sportlich auf Augenhöhe begegnen, liegt auch an der Form ihrer Spielmacher: Die taz nord nimmt das Duell von Johan Micoud und Stefan Beinlich vorweg
von Oke Göttlich
Denken sie bei der Suche nach dem legitimen Widerpart des Bremer Spielgestalters Johan Micoud auch an Rafael van der Vaart oder Sergej Barbarez? Dann sind sie einem Grund für den Erfolg des HSV noch nicht auf die Schliche gekommen.
Sergej Barbarez versprüht seine von listiger Durchtriebenheit gekennzeichneten fußballerischen Geistesblitze seit dieser Saison zumeist als Stürmer. Rafael van der Vaart, dank seiner Position im offensiven Mittelfeld, seiner gefährlichen Standardsituationen und seiner Vielzahl an Treffern käme dem lenkenden Franzosen als spielwitziger Holländer vermeintlich am nächsten. Macht man sich jedoch auf die Suche nach dem situativsten Strategen im Hamburger Spiel findet sich vor allem einer: Stefan Beinlich.
Der Mittelfeldallrounder ordnet und beruhigt das Spiel ebenso wie er es mit seinen meist langen, präzisen Bällen schnell und gefährlich machen kann. So konnte der noch 33-Jährige auch am Donnerstag im letzten Gruppenspiel des Uefa-Cups gegen Slavia Prag, dem Spiel entscheidende Impulse auf dem Feld verleihen. Das wunderschöne Tor zum 1:0 für den HSV bereitete der Berliner mit einer scharfen Flanke auf den Kopf von Sergej Barbarez vor.
Eine interessantere und die Rolle Beinlichs besser kennzeichnende Situation spielte sich allerdings um die 30. Minute herum ab. Der wendige Stürmer Emile Mpenza holte einen Strafstoß raus, den in gekonnter Manier der Iraner Mehdi Mahdavikia hätte verwandeln sollen. Schon da war Stefan Beinlich am Spielfeldrand bei HSV-Trainer Thomas Doll zu finden und beriet, ob der nicht etwas torlahme Mpenza diese Gelegenheit nutzen könne, um sein Phlegma abzulegen und sein Selbstbewusstsein vor dem Spiel gegen Werder Bremen und Bayern München im Pokal zu stärken.
Beinlich lief zu dem sich vorbereitenden Schützen Mahdavikia und fragte ihn, ob er wohl Mpenza schießen lassen würde. Der freundliche Iraner stimmte zu und sah wie Mpenza vom Punkt aus scheiterte. Beinlich hingegen blieb überzeugt davon, dass der „Emile heute einen machen würde“. Das tat der Belgier dann auch und lupfte nach gelungener Stafette von David Jarolim zum 2:0 ein.
„Wir als Mannschaft wollten, dass Emile schießt“, erklärte Beinlich später.
Der unter Thomas Dolls Vorgänger bereits mehrfach aussortierte Beinlich ist neben Kapitän Daniel van Buyten und Sergej Barbarez der Führungsspieler des HSV und engster Vertrauter der Trainerbank auf dem Spielfeld. Thomas Doll und er haben eine gemeinsame Vergangenheit in der ehemaligen DDR und wohnen inzwischen in Quickborn Tür an Tür. Ein Vertrauensverhältnis, welches dem HSV keine Animositäten sondern ein gefestigtes Geflecht zwischen Spielern und Trainer einbringt.
Wie wichtig diese Beziehung auch für die eigene Entwicklung Beinlichs ist, zeigt sich schon die gesamte Hinrunde. Jüngst schlug Thomas Doll Stefan Beinlich als einen Kandidaten für die Nationalelf vor – keine Nachbarschaftshilfe, sondern Respekt vor den reifen Leistungen des Fußballweisen beim HSV.