: Immer weiter weiter träumen vom Wunder
NACHHOLBEDARF Nach dem überraschend überzeugend herausgespielten 3:0-Sieg bei Hannover 96 glaubt Hertha BSC Berlin wieder ganz fest an das längst eigentlich Unmögliche: den Bundesliga-Klassenerhalt
HANNOVER taz | Vorgesehen war er eigentlich nicht. Steve von Bergen, der Nationalspieler aus der Schweiz, erfuhr erst am späten Samstagvormittag, dass er für den am Oberschenkel verletzten tschechischen Neuzugang Roman Hubnik kurzfristig in die Innenverteidigung von Schlusslicht Hertha BSC Berlin rücken würde. Wenig später klärte er im Niedersachsenstadion gegen eine orientierungslose Mannschaft von Hannover 96 die einzige bedrohliche Situation, spitzelte den Ball vom Fuß des einschussbereiten Didier Ya Konan und bewahrte die Gäste so vor einem frühen Rückstand. „Im Fußball kann alles sehr schnell gehen“, sagte von Bergen, nachdem er und vor allem die Tore von Lukasz Piszczek, Raffael und Neuzugang Theofanis Gekas dazu beigetragen hatten, dass man in Berlin nach dem gelungenen Rückrundenauftakt weiter vom großen Wunder, dem Klassenerhalt, träumen darf.
Dementsprechend groß war die Erleichterung bei den Spielern, die in den letzten Monaten immer wieder immer neue Enttäuschungen und Niederlagen kommentieren mussten. Trotz der nach wie vor gefährlichen Situation war es also nicht verwunderlich, dass man nach dem kleinen Hoffnungsspender in Hannover in viele glückliche Augenpaare blicken konnte. „Das waren drei ganz wichtige Punkte – für den Klassenerhalt und für das Selbstbewusstsein“, sagte von Bergen. „Wir wollten unbedingt zeigen, dass wir besser sind, als es der Tabellenplatz aussagt“, meinte Kapitän Arne Friedrich. „Die Mannschaft hat im Vergleich zur Hinrunde ein ganz anderes Gesicht gezeigt.“
Das wiederum hatte in erster Linie mit dem in der Winterpause eifrig angeschobenen Personalkarussell zu tun. Da war, hinten links in der Verteidigung, der aus Gelsenkirchen verpflichtete Georgier Levan Kobiashvili. Er gab dem Berliner Spiel auf dieser zuletzt anfälligen Position Sicherheit und sorgte auch nach vorne für viel Gefahr. Die strahlte auch der griechischen Nationalstürmer Theofanis Gekas von Bayer Leverkusen aus – eine vielversprechende Alternative zu dem Kolumbianer Adrian Ramos. „Wir haben gesehen, dass diese erfahrenen Spieler ganz wichtig für uns sind“, sagte der Berliner Trainer Friedhelm Funkel. „Diese Erfahrung tut der Mannschaft gut.“ Wenn er von den neuen Spielern spricht, zählt er auch Florian Kringe dazu. Nach seinem Fußbruch spielte er erstmals von Anfang an und lieferte im rechten Mittelfeld eine ordentliche Leistung ab.
Aber auch spielerisch präsentierte sich die Hertha von einer ganz anderen Seite. Ein wenig erinnerte das, was man an diesem nasskalten Samstagnachmittag in Hannover sah, an das vergangene, aufregende Frühjahr. Berlin fand eine erstaunlich gelungene Kombination aus defensiver Ordnung und offensiver Freiheit, der die erschreckend harmlosen Gastgeber nichts entgegenzusetzen hatten. „Wir haben wieder an uns geglaubt“, weiß Arne Friedrich, „wir sind davon überzeugt, dass wir es schaffen können.“ CHRISTOPH ZIMMER