„Politik ist mehr als PR und Wahlkampf“

Daniel Schily, NRW-Landesgeschäftsführer von „Mehr Demokratie“, will den Parlamentariern gern ein Jahr mehr Zeit geben für gute Gesetzgebungsarbeit. Zwischen den Wahlen sollen die Bürger mehr Mitbestimmungsrechte bekommen

taz: Nach dem Vorbild des NRW-Landtags soll auch im Bundestag die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert werden. Haben die Politiker Angst vor den Wählern?Daniel Schily: Ich glaube nicht, dass die Politiker Angst vor der Wählerschaft haben. Die Volksvertreter scheinen die politische Praxis im Auge zu haben. In einer vierjährigen Legislaturperiode bleiben wegen der Startphase und der Vorlaufzeit zum nächsten Wahlkampf nur rund zwei Jahre für die praktische Gesetzgebungsarbeit. Bei einer fünfjährigen Periode blieben vielleicht drei Jahre für die Kernarbeit des Parlaments.

Gute Politik braucht also mehr Zeit?Das politische Geschäft muss mehr sein als PR und Wahlkampf. Es gibt ja zudem noch die harte Sacharbeit im Parlamentsalltag. Es bestehen ja in zahlreichen Landtagen der Bundesrepublik eher gute Erfahrungen mit der längeren Periode. Es kann die Qualität von Gesetzen verbessern, wenn gründlicher und ohne Wahlkampfstress beraten und entschieden wird. Auch die Planungsphasen von Bauprojekten dauern ja oft länger als vier Jahre. Das gleiche gilt für Wirtschaftszyklen.

„Mehr Demokratie“ plädiert demnach für weniger Wahlen?Wichtig ist, dass der Wähler auf Bundesebene nicht darauf beschränkt werden darf, nur Wähler zu sein. Wenn die fünfjährige Legislaturperiode kommt, muss das Grundgesetz endlich voll angewendet werden. Dort heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt.“ Dieser Artikel 20 hat sogar Ewigkeitscharakter. Aber bislang hapert es noch bei den Abstimmungen.

Sie würden einen Tausch begrüßen: Längere Legislaturperiode im Bund gegen mehr Volksabstimmungen?Die Pläne der großen Koalition sind nur akzeptabel, wenn ein Ausgleich geschaffen wird. Dem Bürger müssen mehr Mitspracherechte bei politischen Entscheidungen in Form von Elementen direkter Demokratie wie Referenden und Volksbegehren gewährt werden. Alle fünf Jahre das Kreuz machen zu dürfen, reicht nicht.

In NRW dürfen die Landtagswähler schon seit mehr als 30 Jahren nur zwei mal im Jahrzehnt wählen. Wird in NRW mit fünfjähriger Legislaturperiode besser regiert als im Bund mit vier Jahren?Es gibt dazu keine Effizienzstudien. Man hat es sicherlich auch mit normativen Einschätzungen der Parlamentarier zu tun.

Die neue schwarz-gelbe Landesregierung nutzt die fünf Jahre geschickt. Jetzt am Anfang der Periode legt sie ein Sparpaket vor, dass der Wähler 2010 vielleicht vergessen hat.Das mag eine Motivlage der Koalition sein. Vielleicht tritt aber auch der gegenteilige Effekt ein, etwa beim Thema Studiengebühren. Möglicherweise erkennt der Wähler erst 2010, dass die Unis in NRW durch die Gebühren besser geworden sind. Generell fehlen leider aber auch auf Landesebene wirksame direktdemokratische Elemente. Zwar gibt es die Möglichkeit eines Volksbegehrens, aber ein Themenausschlusskatalog erlaubt diese nur bei bestimmten Themen. Das ist nicht ausreichend.

Schwarz-Gelb will die Amtszeiten der Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen verlängern, von fünf auf acht Jahre. Wie stehen Sie zu dieser Reformidee?Auch das kann nur in Verbindung mit mehr Mitsprachemöglichkeiten funktionieren. Die Koalition will nur den Stadträten das Recht geben, diese lang amtierenden Bürgermeister abwählen zu können. Wir brauchen zusätzlich ein „Recall“-Verfahren, damit auch die Wählerschaft einen schlechten Rathauschef abberufen kann.

INTERVIEW: MARTIN TEIGELER