piwik no script img

Archiv-Artikel

Willi Lemkes Weihnachten gerettet

Bei den Vergleichsarbeiten der Viertklässler hat Bremen Ergebnisse erzielt, die im Bundesschnitt liegen - das ist sehr gut für einen Stadtstaat mit 20 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund. Senator: Die Maßnahmen nach dem Pisa-Schock greifen

Für 20 Prozent der Schulkinder ist Deutsch „nicht die dominante Sprache“„Ein Segen, dass wir Pisa gekriegt und als schallende Ohrfeige empfunden haben“

Bremen taz ■ „Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk für mich als Bildungssenator“, freute sich gestern Bremens Bildungssenator Willi Lemke (SPD): Die Vergleichsarbeiten der Viertklässler („VERA“) zeigen die Bremer Grundschüler im Mittelfeld der teilnehmenden sieben Bundesländer. „Wir haben nicht mehr die rote Laterne“, freute sich Lemke. Und er unterstrich, dass die Maßnahmen, die nach dem Pisa-Schock ergriffen wurden, diese SchülerInnen noch erreicht haben – offenkundig sei die gute Position also ein Ergebnis der Anstrengungen des Bildungssenators. Wenn in fünf Jahren diese erfolgreichen VERA-Kinder im Pisa-Alter ankommen – bei Pisa werden 15-Jährige getestet – dann werden sie, da ist Lemke sicher, die Pisa-Position Bremens neu definieren.

Noch sind die Detailauswertungen der VERA-Untersuchung nicht fertig, ein offizielles „Ranking“ der Bundesländer gibt es nicht. Bayern und Baden-Württemberg, die Pisa-Siegerländer, haben nicht teilgenommen, werden aber vermutlich das nächste Mal dabei sein, erklärte der Zahlen-Papst der Bildungsbehörde, Dietmar Kirchhoff. Aber Flächenländer wie Rheinland-Pfalz und NRW waren dabei und der Stadtstaat Berlin auch. Letzteres ist wichtig für Vergleiche, da die Großstadt-Probleme Bremens andere sind als die von Flächenländern. Für 20 Prozent der bremischen Schulkinder ist Deutsch „nicht die dominante“ Sprache zuhause. Das ist sonst nur in Berlin so – die Flächenländer haben nur die Hälfte solcher Problemkinder in der Schule.

Umso erstaunlicher die hohen Punktzahlen für Bremen. In Geometrie, wo es auf die sprachlichen Fähigkeiten nicht so sehr ankommt, hatten Bremens Grundschulkinder schon 2004 gute Werte erzielt, 84 Prozent der Schüler hatten die Kompetenzstufen 2 und 3. Bundesweit waren das 81 Prozent gewesen. Bremen liegt da 2005 bei 78 Prozent, der Bundesschnitt auch. Offenbar sind die Aufgaben etwas schwieriger gemacht worden, sagt VERA-Experte Kirchhoff. Berlin liegt nur bei 67 Prozent, Rheinland-Pfalz bei 72 Prozent.

Der hohe Anteil an Kindern, für die Deutsch „nicht die dominante Sprache“ ist, schlägt sich bei den Tests nieder, für die Sprachkenntnisse entscheidend sind: Sachrechnen oder Lesekompetenz. Gerade da hatten die Maßnahmen der Bildungsbehörde angesetzt. Bei der Lesekompetenz lag Bremen 2004 nur mit 54,8 Prozent der Kinder in den Kompetenzstufen 2 und 3, stolze 67,1 Prozent sind es bei VERA 2005. In Berlin schafften das 2005 nur 60 Prozent, Rheinland-Pfalz mit nur 7,7 Prozent Kindern, bei denen Deutsch nicht die „dominante Sprache“ ist, kam gerade auf 65 Prozent in den Kompetenzstufen 2 und 3.

2004 hatte sich ein deutlicher Niveau-Unterschied zwischen der Stadt Bremen und Bremerhaven gezeigt, doch so differenzierte Auswertungen liegen für die neue Vera-Studie nicht vor.

Die VERA-Tests sollen vergleichbare Bildungsstandards in allen Bundesländern schaffen, bei der Beschreibung der Aufgaben wird auch auf die Bildungsstandards anderer Länder geachtet. Jede Schule und jeder Lehrer bekommt die Ergebnisse für seine SchülerInnen mitgeteilt, so dass auch dort über mögliche Schlussfolgerungen beraten werden kann, wenn zum Beispiel die Klasse 4a besonders gut und die 4c besonders schlecht abgeschnitten hat. Ein „Ranking“ der Grundschulen, wie es die Nordrhein-westfälische Bildungsministerin Barbara Sommer ankündigt, soll es in Bremen nicht geben. Insgesamt setzt aber auch Willi Lemke auf den Ansporn durch Leistungsvergleich: „Es ist ein Segen, dass wir Pisa gekriegt und als schallende Ohrfeige empfunden haben“, meinte er. Klaus Wolschner