: Netanjahu will es noch einmal wissen
Der ehemalige israelische Regierungschef ist bei einer Urwahl zum Parteichef des rechtsgerichteten Likud-Blocks gewählt worden und will zurück an die Macht. Umfragen sehen ihn trotz Ministerpräsident Scharons Erkrankung nur auf Platz drei
AUS JERUSALEM CHARLOTTE MISSELWITZ
Der ehemalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist wieder Chef des Likud-Blocks. Bei der Urwahl der rechtsgerichteten Regierungspartei lag er am Dienstagmorgen mit 44 Prozent der Stimmen deutlich vor Außenminister Silvan Schalom, der 33 Prozent erhielt. Die Wahlbeteiligung unter den 128.000 Parteimitgliedern lag bei 44 Prozent.
Der Likud-Vorsitz war seit dem Parteiaustritt von Regierungschef Ariel Scharon im November unbesetzt. Netanjahu, von 1996 bis 1999 israelischer Ministerpräsident, sieht in seiner Wiederwahl auch sein Comeback: „Heute Nacht beginnt der Likud seinen Weg zur Führung des Landes“, verkündete er gleich nach den ersten Stimmauszählungen am Montagabend.
Umfragewerte, die gestern von der Tageszeitung Ma’ariv veröffentlicht wurden, bestätigten Netanjahus Optimismus jedoch nicht. Trotz Scharons Schlaganfall vom Sonntag würde dessen neu gegründete Partei Kadima mindestens 42 Sitze im Parlament erhalten, wenn jetzt Wahlen stattfänden. Der Likud liegt demnach mit 13 Sitzen hinter der sozialdemokratischen Arbeitspartei (22 Sitze) erst auf dem dritten Platz.
In Israel wird im kommenden März ein neues Parlament gewählt. Dann werden die ehemaligen innerparteilichen Konkurrenten Scharon und Netanjahu an der Spitze unterschiedlicher Parteien antreten. Der 56-jährige Netanjahu hatte im Sommer aus Protest gegen den von Scharon geleiteten israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen seinen Rücktritt als Finanzminister eingereicht. Als im November die Arbeitspartei die Koalition verließ, hatte er im Likud keine Unterstützung mehr. Er trat aus und gründete mit Kadima eine eigene Liste.
Für Wirtschaftsminister Ehud Olmert, der Scharon die Treue hielt und zu Kadima überwechselte, kommt ein Likud unter Netanjahu nicht als Koalitionspartner in Frage. „Ich hatte gehofft, dass mit dem moderateren Silvan Schalom an der Spitze des Likud eine Kooperation mit Kadima möglich wäre“, sagte er. Der Rechtsruck in seiner ehemaligen Partei mache sich auch durch den hohen Stimmenanteil von 15 Prozent für den rechtsextremen Aktivisten Moshe Feiglin bemerkbar. Dieser hat am Dienstag die Kritik an seiner Person aus den eigenen Reihen als „antisemitisch“ abgewiesen. Feiglins Agenda eines jüdisch-religiösen Israel und seine Ablehnung eines Palästinenserstaates erhält mit der Wahl innerhalb des Likud nun mehr Gewicht.
„Der Likud ist verantwortlich für die Zerstörung der israelischen Gesellschaft“, kommentierte Amir Peretz, der Vorsitzende der Arbeitspartei, die Urwahl. Für Peretz ist die soziale Agenda des Likud und insbesondere seines Chefs das größte Problem. Die Liberalisierung der Wirtschaft, die Netanjahu innerhalb der letzten zwei Jahre als Finanzminister vorantrieb, hatte weitreichende Folgen. In einem Armutsbericht vom Sommer stellte das Nationale Versicherungsinstitut fest, dass eins von drei Kindern in Israel unter der Armutsgrenze lebt.
Auch Likud-Mitglieder wie der Medien-Berater von Netanjahu-Rivale Schalom, Mosche Debbie, sind skeptisch: „Wir dürfen nicht vergessen, dass Scharons Einlieferung ins Krankenhaus mehr Stimmen für Bibi (Netanjahu) brachte. Es ist wie das Syndrom einer geschlagenen Frau, die zu ihrem brutalen Mann zurückkehrt.“ Zweifel an Scharons Regierungsfähigkeit könnten auch für Kadima zum Problem werden. Das strahlende Lächeln, mit dem Scharon am Dienstag das Krankenhaus verließ, scheint diese Gefahr zumindest für den Moment gebannt zu haben.