Warme Worte und Luftballons für Roma

MINDERHEIT US-Botschafter besucht Wohnprojekt in Neukölln. Die Bewohner interessieren sich für Visa

„Mit leckerem Essen gelingt Integration besser“

US-BOTSCHAFTER MURPHY

Aus Anlass des Internationalen Tages der Sinti und Roma hat US-Botschafter Philip D. Murphy am Montag in Neukölln das Wohnprojekt in der Harzer Straße besucht. Er lobte die Einrichtung als Beispiel, wie Integration gelingen kann. „Die Regierungen sind in der Verantwortung, Sinti und Roma die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen“, sagte Murphy, der als erster westlicher Botschafter in das Neuköllner Haus kam.

Das Gebäude am Ende der Harzer Straße hat als Roma-Bleibe bereits Schlagzeilen gemacht. Die katholische Aachener Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft kaufte das heruntergekommene Gebäude vor zwei Jahren, kurz bevor der Bezirk wegen gefährlicher Baumängel eingreifen musste. Die Gesellschaft nahm die Sanierung vor – „ohne öffentliche Zuschüsse“, wie der Hausverwalter Benjamin Marx dem Gast aus den USA erläuterte. Mittlerweile leben die Roma-Familien in geregelten Mietverhältnissen. In dem Gebäudekomplex gibt es zudem Beratung und Sprachkurse.

Ein erfreuliches Projekt – aber leider ein Einzelfall, glaubt man den Grünen. Nach wie vor würden Roma von Vermietern häufig schlecht behandelt, so die Sprecherin für Partizipation und Gleichbehandlung von Migrantinnen, Susanne Kahlefeld. „Sie werden von Vermietern ausgebeutet, die Wuchermieten für unbeheizbare, überbelegte Wohnungen nehmen.“ Roma würden auch um ihren Arbeitslohn geprellt, bemängelte Kahlefeld. Noch immer fehlten wirkungsvolle Maßnahmen gegen Ausbeutung.

Ähnlich kritisch sehen das die Aktivisten der Kampagne „Alle bleiben“ und weiterer Initiativen. Am Montagmittag beteiligten sie sich an der weltweiten Kundgebung „Tausend Ballons werden fliegen“ am Refugee Protest Camp auf dem Oranienplatz. „Politik und Medien stigmatisieren Roma als unfähig und unwillig zur Integration, als Bedrohung deutscher Privilegien – und opfern sie so dem Ressentiment der Mehrheitsgesellschaft“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unterstützerkreises.

Der US-Botschafter beschäftigte sich unterdessen mit den schönen Seiten des Zusammenlebens: Er besichtigte die Künstlerwerkstatt im Wohnheim in der Harzer Straße. Dort führte ein Mitarbeiter ihm vor, wie er mit den Kindern Plastikmüll zu Platten schmilzt, die dann als Stuhl oder Papierkorb eine neue Form finden. Ein Raum dient dem Deutschunterricht, ein anderer beherbergt die acht Maschinen der Nähgruppe. Der Botschafter nahm diese Stationen im Eiltempo.

Die Frauen aus der Küche kredenzten Cevapcici und Sarmale, eine Art rumänische Kohlroulade. Dazu gab es Livemusik mit Akkordeon, Geige und Gesang. „Mit guter Musik und leckeren Speisen gelingt Integration besser“, folgerte der Botschafter schmunzelnd.

Mehr Zeit nahm er sich für das Gespräch in großer Runde. „Integration kann gelingen, das hat mir mein Besuch hier deutlich gezeigt“, gab sich Murphy optimistisch. Doch als die Frage aufkam, was er als Botschafter tun könne, damit Roma Visa für die USA bekommen, verwies Murphy schnell auf seine mangelnde Fachkenntnis: „Dafür bin ich kein Experte.“ Auch wenn er nicht müde wurde zu betonen: „Wir stehen an der Seite der kleinen Leute, wir stehen an Ihrer Seite.“ Was genau er damit meinte, blieb am Ende offen.

CHRISTIAN OTT