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Archiv-Artikel

DER RELAUNCH KOMMT. DAS IST GUT. NICHT GUT: VERDIENTE KOLUMNEN WERDEN ABGESETZT. EIN EINSPRUCH. UND EIN ABSCHIED IN DANKBARKEIT Kolumnen-Irrsinn in der taz!

ist Clown und politischer Aktivist

DENIZ YÜCEL

Die taz macht das, was Zeitungen alle paar Jahre so tun – in der Hoffnung, alte Leser zu halten und neue zu gewinnen: Sie macht einen Relaunch. Dagegen ist nichts einzuwenden, und gewiss werden die neue Wochenendausgabe und der Auftritt von taz.de Heerscharen neuer Leser verzücken und für die nächsten hundert Jahre das Erscheinen der taz sicherstellen. Selbst wenn dies nicht glücken sollte – in Würde zu altern ist ein nobles Unterfangen, mit dem sich gerade Linke oft schwertun. All das aber ist kein Grund, jedenfalls kein guter, fast sämtliche Kolumnen aus der sonntaz zu streichen. Eine so bezaubernde Kolumne wie Franziska Seyboldts „Lustobjekte“ etwa. Oder „Politik von unten“, die Kolumne des Clowns und politischen Aktivisten Jean Peters. Besser: Er spricht selbst.

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Wir befinden uns irgendwo zwischen der dritten und fünften von zehn sozialen Klassen. Verstecken Privilegien wie frischen Bauchspeck und verbünden uns, wenn andere fetter sind als wir. Eigentlich geht’s uns gut, während sich Menschen in unseren Flüchtlingslagern das Leben nehmen. Wie nur brechen wir die Starre, wie schaffen wir nach 40 Jahren Vormarsch neoliberaler Ideologie ein Gefühl der Selbstermächtigung? Neulich sagte mir ein Flüchtling, der Kampf sei seine politische Therapie. Er spürt seit den neuen Protestwellen seine Stimme. Was lange unmöglich erschien, durchbricht nun die Mauern der deutschen Trägheit.

Wie kann man uns therapieren, uns Mittelklasseweißbrote, damit auch wir unsere Wirkungsmacht spüren? Warum blockieren wir nicht die Straßen, wenn Leute abgeschoben werden? Warum heiraten wir Flüchtlinge nicht aus Schutz vor unserer Justiz? Schließt euch ein, trinkt Tee und kümmert euch um eure Liebsten. Doch dann, bitte, kämpft! Und: Auch Superreiche müssen gerettet werden. Menschen, deren Leben vom Börsenkurs abhängt und die sich in gated communities verstecken, verfallen in Depression. Wenn wir Eigentum und Identität kollektiv erleben, sind wir Sozialarbeiter für die Bonzen.

Die bürgerliche Bewegung verschmilzt mit der sozialdemokratischen und neoliberalen und verleibt sich noch die Frauen- und Umweltbewegung ein. Zugleich wird die Bewegungsseite in der taz abgeschafft. Aber es wäre schmerzlich, wenn in der taz jetzt flockige Reportagen komplexe Recherchen ersetzen würden und alles angenehm und konsumierbar gemacht würde. Ein ungemütlicher Jan Fleischhauer, so schlecht er auch recherchieren mag, würde dann als letzter Linker übrigbleiben.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch

Matthias Lohre

Männer

Donnerstag

Ambros Waibel

Blicke

Freitag

Michael Brake

Nullen und Einsen

Montag

Maik Söhler

Darum

Dienstag

Julia Seeliger

Alles bio

Für mich jedenfalls ist es Zeit, mich von der taz zu verabschieden. Ich bedanke mich bei der taz für die schöne Zeit. Es war mir eine Freude, euch, liebe Leserinnen und Leser, den Rotz der Straße auf die Frühstückstische zu liefern. Ideologische Munition an all denjenigen zu verteilen, die sich zwischen Party und Broterwerb die Zeit zum Kämpfen nehmen. Nicht im Bioladen. Nicht mit geistreichen Innovationen. Nein, in der direkten Zusammenarbeit mit denen, die fast am Boden liegen. Der einzig verantwortliche Weg, mit Macht umzugehen, ist, sie zu teilen. JEAN PETERS