: Flüchtiger Minister mit schwarzer Weste
Sokir Almatow ist einer der größten Raubfische im usbekischen Machtgefüge. Der 56-jährige Usbeke leitete noch vor der Unabhängigkeit des zentralasiatischen Staates seit 1990 das Innenministerium Usbekistans. Während seiner Amtzeit konnte Almatow ein weit verzweigtes Netz von Firmen und Unternehmensbeteiligungen aufbauen. Über Mittelsmänner kontrolliert er die größten Kaufhäuser in Taschkent, Radiostationen, den Seidenhandel und ist am lukrativen Baumwollhandel beteiligt.
Zudem hat er das Innenministerium zu einer regelrechten Geldmaschine umgebaut. In keinem anderen Bereich blüht die Schattenwirtschaft derartig, und Almatow verdient bei jedem Deal mit. Unter seiner Verantwortung wurden Tausende Männer verhaftet und gefoltert. Das Schreckenregime des usbekischen Innenministers trat offen zu Tage, als ein Inhaftierter 2002 im Gefängnis des usbekischen Innenministerium zu Tode gekocht wurde.
Neben seinen Amtsgeschäften leitet der sportbegeisterte und durchtrainierte Mann den usbekischen Fußballbund, dessen Mannschaft jedoch an der WM-Qualifikation scheiterte.
Nach dem Massaker von Andischan sank der Stern des Ministers. Bis heute ist unklar, welche Rolle er bei der Niederschlagung des Volksaufstandes spielte. Entweder ist er selbst für die Massenerschießung usbekischer Bürger verantwortlich oder er sollte nach Andischan als Bauernopfer interner Machtrivalitäten hinhalten.
Nach dem Massaker von Andischan hatte der bullige Mann mit dem kantigen Gesicht den letzten großen Auftritt. Ruppig führte er einige Tage nach den Ereignissen eine Delegation aus Journalisten und Diplomaten durch Andischan.
Almatow soll seit Jahren an Rückenbeschwerden leiden. Obwohl die EU zuvor einen Visabann gegen ihn verhängt hatte, konnte Almatow im Oktober nach Deutschland einreisen - zur Behandlung eines Krebsleidens in einer Spezialklinik in Hannover. Die Bundesrepublik habe dem Minister eine Ausnahmegenehmigung aus humanitären Gründen erteilt, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes gestern mit.
Anfang Dezember erstatteten die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und Amnesty International Anzeige wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Derzeit prüft die Generalbundesanwaltschaft noch, ob ein Ermittlungsverfahren gegen Almatow eingeleitet wird. Der Minister hat Deutschland verlassen und wurde vor sechs Tagen in einem Dubaier Hotel gesichtet. Dabei soll er recht gesund ausgesehen haben. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist unklar. Gerüchte besagen, er sei nach Taschkent zurückgekehrt.
MARCUS BENSMANN