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Archiv-Artikel

„Leere Felder sind etwas sehr Schönes“

Nach Detlev Buck zeigt der gebürtige Flensburger Till Franzen in dem Film „Die Blaue Grenze“ erstmals wieder die norddeutsche Landschaft in ihrer vollen, nun ja, Schönheit. Statt in blühenden Rapsfeldern schwelgt er in februartrüben Äckern. Das besondere am Norden ist ihm das Geheimnisvolle

Interview: Eiken Bruhn

taz: Viele Rezensenten erfreuten sich daran, dass Ihr Film Norddeutsche zeigt, wie wir sie zu kennen glauben. Männer mit Fischermütze, die nicht viele Worte machen und melancholisch aus wässrig-blauen Augen schauen. Haben Sie keine Angst vor Klischees?

Till Franzen: Die Figuren sind ja nicht alle so, die von Dominique Horwitz zum Beispiel. Und ich kenne so Leute. Die wären dann ja auch alle Klischees. In Flensburg, wo ich aufgewachsen bin, reden die Leute eigentlich sehr viel. Ich finde auch, dass die Norddeutschen mehr reden als die Bayern. Wenn ich im Zug bin und da steht ’ne Gruppe von Norddeutschen im Bistro, dann sind die immer sehr laut.

Bis der rheinische Kegelclub kommt.

Ja, vielleicht verstummen die dann und beobachten dann auch lieber. Vielleicht ist auch dieses Beobachten und dass man auch auf sich gestellt ist, vielleicht ist das auch norddeutsch.

Und ist der Film norddeutsch?

Absolut, er spielt in Flensburg, wurde komplett dort gedreht und mit norddeutschem Geld finanziert und auch der Humor ist wohl das, was man als norddeutsch bezeichnet.

Was heißt das?

Der norddeutsche Humor zeichnet sich mit Sicherheit nicht durch Slapstick aus. Das ist eigentlich eher ein Witz, wo keiner ist, ein sehr versteckter, leiser Humor. Eher durch die Auslassung, das Nichtgesagte werden Dinge lustig, und man weiß gar nicht genau, warum man darüber schmunzeln oder lachen muss. Als „norddeutsch“ kann man den Film auch bezeichnen, weil er sehr ruhig ist. Er fließt eher so dahin, als dass er sich durch Dramatik auszeichnet. Es gibt neblige Felder und Kühe, die in der Ferne stehen.

Welche Kühe? Krähen sind sehr viele zu sehen, aber Kühe?

Doch einmal, aus dem Zugfenster heraus. Vielleicht haben wir die auch rausgeschnitten. Ich wollte etwas machen abseits von dem, was man als norddeutsch kennt, mit Leuchttürmen und Rapsfeldern. Ich wollte die andere Seite, wie ich sie auch kenne, darstellen.

Welche Seite ist das?

Ich finde die Region dort oben recht geheimnisvoll, und ich wollte dieses Geheimnis rausholen. Deshalb haben wir diese Flüge über die Landschaften gemacht. Ich wollte es ganz anders erforschen.

Gerade die Luftaufnahmen von trostlosen Wohnsiedlungen im Winter wirken ja weniger geheimnisvoll als unglaublich trübe.

Natürlich wurden wir auch gefragt, warum dreht ihr nicht, wenn der Raps blüht, aber in der Geschichte geht es nun mal um einsame Menschen, die ihre Einsamkeit aber alle überwinden. Ich finde diese Leere sehr schön, so ein Strand im Herbst hat schon etwas.

Wenn man auf Leuchttürme und ähnliches verzichtet, bleibt nicht viel außer endloser Weite. Kann man leere Felder überhaupt ins rechte Licht setzen?

Ja, das geht. Ich find’ das immer ganz schön, wenn man sich in Bilder etwas reindenken muss und wenn man das nicht vorgibt.

Aber wie findet man das richtige Feld, wenn eins aussieht wie das andere?

So viele Felder gibt es in „Die blaue Grenze“ doch gar nicht.

Nicht? Man sieht sie während der Zugfahrt, dann gibt es eine Einstellung, auf der nur ein Stacheldraht vor einem Feld zu sehen ist, und der Film beginnt auf einem Feld, wo die Hauptfigur auf Krähen in einem Baum schießt.

Ja stimmt, dieser Baum. Da haben wir lange gesucht, um wirklich diesen Baum zu finden, der so alleine steht. Das war ein Bild, das ich im Kopf hatte, und ich dachte das gibt es tausendfach. Aber das stimmte gar nicht.

Haben Sie mit einem Location-Scout zusammengearbeitet, der für Sie nach Bäumen auf Feldern suchte?

Nee, ich kannte das ja alles von früher. Außerdem: Wie soll man so ein Feld auch beschreiben? „Ich such da so ein Feld…“ Ich glaube, das ist etwas, was man selbst entdecken soll.

Dabei scheinen Sie für Felder gar nicht so viel übrig zu haben. In einem Interview haben Sie gefordert, man solle „mit den Kameras in die Berge, ans Meer, in den Himmel, in den Wald“. Gerade aber Norddeutschland jenseits der Klischees besteht vor allem aus Feld und Wiese. Haben Sie die vergessen?

Ja, stimmt. Gerade diese leeren Felder, die sind schon spannend. Die sind auch gar nicht langweilig. Man muss auch so ein Feld in den goldenen Schnitt bringen. Und man hat ja auch einen Himmel. Da hat man ja schon einen Dialog.

Wenn man den Unterschied zwischen Feld und Himmel sieht, was angesichts des norddeutschen Wetters ja nicht immer so ganz einfach ist.

Ja, aber meistens ist es unten auf der Erde schon dunkler als oben.

Kommen die Filmförderanstalten der Länder eigentlich jetzt auf Sie zu und sagen, „mach doch auch mal einen Film über unsere Region, wir fördern ihn dann auch“?

Na ja, man kann ja nicht sagen, ich mach was über die Landschaft, weil dann bekomme ich Geld. Das will ich mir nicht vorschreiben lassen. Das Problem ist ja auch immer, dass man das Geld nicht so gut ausgeben kann, wenn man gefördert wird. Das funktioniert meistens über ’ne Crew, aber es gibt nur sehr wenig Filmschaffende in Schleswig-Holstein. Man kriegt beispielsweise 120.000 Euro und muss davon 100.000 im Land ausgeben. Dann wird es schwierig.

Können sich die Crewmitglieder nicht einfach für die Dauer der Drehzeit ummelden?

Ja, das wird gerne mal gemacht, aber dann müssen die für den nächsten Film nach Nordrhein-Westfalen ziehen und das fällt dann auf.

Was ist mit Ihrem nächsten Film? Wieder ein norddeutscher?

Der ist süddeutsch.

Inwiefern?

Ach, ich will unbedingt in den Bergen drehen. Dafür muss ich dann tatsächlich einen Location-Scout losschicken, weil da kenn’ ich mich nicht aus. Ein Film sollte einen genau gekennzeichneten Ort haben.

Warum?

Je spezifischer man wird mit einem Film, desto universeller ist das. Zum Beispiel die englischen Arbeiterkomödien, die in Manchester spielen, die funktionieren weltweit. Ein Film berührt dadurch, dass man genauer wird und keine gesichtslose Wohnung oder gesichtslose Stadt zeigt.