: Nur der Gutsverwalter
Die Richter sprechen Managern den Status eines Gutsherren ab, vielmehr hätten sie mit ihrer Prämienpolitik „treuwidrig“ gehandelt
AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH
Bald muss Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, wieder vor Gericht erscheinen. Der Prozess um die Millionenprämien bei Mannesmann wird neu aufgerollt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob gestern die Freisprüche des Landgerichts Düsseldorf für Ackermann und fünf weitere Angeklagte auf. Ackermann wird Untreue zu Lasten von Mannesmann vorgeworfen, denn die Genehmigung der Prämien für ausscheidende Manager sei eine „treuwidrige Verschwendung“ fremder Gelder gewesen. „Die Angeklagten waren eben nur Gutsverwalter, nicht Gutsherren“, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf zur Begründung.
Mannesmann war vor fünf Jahren vom britischen Mobilfunk-Konkurrenten Vodafone geschluckt worden. Kurz nach der Einigung beschloss ein Ausschuss des Mannesmann-Aufsichtsrats exorbitante „Anerkennungsprämien“ für ausscheidende Manager. Allein der Vorstandsvorsitzende Klaus Esser sollte umgerechnet rund 16 Millionen Euro erhalten. Beschlossen wurden die Prämien von nur drei Personen: Josef Ackermann, Ex-Mannesmann-Chef Klaus Funk sowie der damalige IG-Metall-Chef Klaus Zwickel, der sich aber enthielt. Jürgen Ladberg, viertes Ausschussmitglied, war krank. Funk setzte am gleichen Tag noch durch, dass er ebenfalls eine Prämie von 4,5 Millionen Euro bekommt, da auch er sich um das Unternehmen verdient gemacht habe.
Als der Millionendeal bekannt wurde, war die Empörung groß, und drei Jahre später wurden die vier Ausschussmitglieder um Ackermann wegen Untreue angeklagt. Die Anklage gegen Esser und einen Mitarbeiter lautete auf Beihilfe zur Untreue. Zwar sprach das Landgericht Düsseldorf im Juli 2004 alle sechs Angeklagten frei. Doch gestern hob der BGH die Freisprüche wieder auf.
Zunächst korrigierte der BGH den Maßstab der Düsseldorfer Richter. Das Landgericht wollte nur eine „gravierende“ Pflichtverletzung als Untreue bestrafen. Dagegen stellte Richter Klaus Tolksdorf klar, dass sich Aufsichtsräte bei jeder Verletzung ihrer „Vermögensbetreuungspflicht“, die das Unternehmen schädigt, strafbar machen. Die Ausschüttung nachträglicher Anerkennungsprämien an Manager sei deshalb nur zulässig, wenn sie bereits im Vertrag versprochen wurde oder wenn die Prämienzahlung einen Vorteil für das Unternehmen darstellte.
Nach BGH-Ansicht war die Prämie an Esser jedoch „ohne jeden Nutzen“. Weder wurde Esser damit an das Unternehmen gebunden, noch war sie Anreiz für weitere Leistungen. Denn zum einen wollte Esser ausscheiden, zum anderen sollte Mannesmann ja eh nur noch wenige Monate bestehen. Die Verteidiger hatten den Vorteil des Unternehmens darin gesehen, dass Esser den Wert der Mannesmann-Aktien binnen weniger Monate mehr als verdoppelte. Doch dies ließ Richter Tolksdorf nicht gelten. Für diese Leistung sei Esser ja bereits gut bezahlt worden. Deutliche Kritik übte der BGH an der Einschätzung des Landgerichts, als es um die Prämie an Exchef Klaus Funk ging. Hierin hatte auch das Landgericht eine gravierende Pflichtverletzung gesehen, dann aber einen „unvermeidbaren Verbotsirrtum“ bei Ackermann und Co. angenommen. „Mit etwas Rechtsgefühl hätte jeder erkennen können“, so gestern BGH-Richter Tolksdorf, „dass der bloße Wunsch eines Managers keine Rechtfertigung für eine Millionenprämie darstellt.“
Alle sechs Angeklagten bekommen nun einen neuen Prozess vor einer anderen Kammer des Landgerichts Düsseldorf. Bis dahin gilt weiter die Unschuldsvermutung. Am Ende des Verfahrens könnte sogar ein neuer Freispruch stehen. Die Strafen werden jedenfalls nicht allzu hart ausfallen. Tolksdorf zählte gestern gleich mehrere Aspekte auf, die die Strafe mildern könnten. So hätten sich Ackermann und Zwickel nicht selbst bereichert. Außerdem habe auch der kommende Eigentümer Vodafone, dem später das ausgezahlte Geld ja fehlte, seine Zustimmung zu den Prämien signalisiert. Vorsorglich ging der BGH auch auf die „zu erwartende Kritik“ an dem Urteil ein. Richtung Wirtschaft sagte Tolksdorf, der Standort Deutschland gerate nicht dadurch in Gefahr, dass Unternehmen gegen den rechtswidrigen Zugriff ihrer Manager geschützt werden. Wer das Verfahren als wirtschaftsfeindlich kritisiere, habe wohl „die Bodenhaftung“ verloren. Zugleich warnte Tolksdorf aber auch vor einem Strafrecht nach „gesundem Volksempfinden“. Die Höhe der Zahlung habe im Prozess keine große Rolle gespielt. „Die Prämie an Esser wäre auch unzulässig gewesen, wenn sie nur drei Millionen betragen hätte.“
Bundesanwalt Gerhard Altvater, der die Aufhebung der Freisprüche beantragt hatte, zeigte sich nach der gestrigen Verkündung des Urteils zufrieden. Das Verfahren betreffe allerdings wegen der Fusionsumstände einen „untypischen Einzelfall“. Klaus Esser, der als einziger der Angeklagten persönlich erschienen war, sagte man müsse die Prämienzahlung im „Kontext des Jahres 2000 sehen“. Heute, in Zeiten von Hartz IV, würde eine solche Prämie nicht mehr beschlossen. (Az.: 3 StR 470/04)