piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Mann, den der Kongress fürchtet

Jack Abramoff ist eine der schillerndsten Figuren des politischen Establishments der USA. Dem unter Anklage stehenden republikanischen Lobbyisten gelang es laut Medienberichten nun, mit den Ermittlungsbehörden einen Deal auszuhandeln, der durchaus für weitere Aufregung sorgen wird: Wenn Abramoff, 46, über seine früheren politischen und geschäftlichen Kontakte auspackt, will die Staatsanwaltschaft ihn milder bestrafen.

Dabei könnte so manche politische Karriere auf der Strecke bleiben. Denn Abramoff, so viel ist sicher, kannte sehr viele, sehr wichtige Leute in Washington. Die Ermittler glauben, dass der Mann aus Beverly Hills weitgehende Kenntnisse hat von dem, was sie ein „umfassendes Korruptionsnetzwerk unter Abgeordneten und Kongressmitarbeitenden“ nennen.

Alles begann mit einer routinemäßigen Untersuchung eines 82-Millionen-Dollar-Lobbybudgets aus indianischen Kasinos, das Abramoff zur Verfügung stand. Mittlerweile ist die Staatsanwaltschaft sicher, dass sie in einem der größten Korruptionsskandale der US-Geschichte ermittelt. Republikanische Abgeordnete sollen für Gesetzesinitiativen und Kongressarbeit Geld kassiert haben. Selbst der mächtige Fraktionschef der Republikaner im Abgeordnetenhaus, der mittlerweile wegen Geldwäsche in Texas angeklagte Tom DeLay, soll sich von Abramoffs Klienten Reisen und Geschenke finanziert haben lassen.

Unter allen Lobbyisten auf der Washingtoner K Street stach Abramoff, der dort seit 1994 wirkte, deutlich hervor. Das „Neue“ an seiner Art der Einflussnahme war, dass er politische mit Businesszielen offen verband. Er war ein Politiker mit Geschäftskontakten und ein Geschäftsmann mit politischen Ambitionen. Zum Beispiel gelang es ihm, seinem größten Kunden, der indianischen Coushatta Nation aus Louisiana, 32 Millionen Dollar abzuringen. Im Gegenzug erhielten sie Steuerbefreiung für ihre Kasinos und konnten sich darauf verlassen, dass indianische Konkurrenten ausgebremst wurden. Abramoff, der seine indianischen Kunden in E-Mails an Partner schon mal „Affen“ und „nervig“ nannte, strich nur einen Teil des Geldes ein, der Rest sollte an Nonprofit-Organisationen und Wohltätigkeitsvereine mit starken republikanischen Verbindungen gezahlt werden. Auch von ihm selbst gegründete Wohltätigkeitsvereine erhielten immer wieder große Spenden.

Nun ermitteln die Behörden in diesem komplexen, mehrstufigen Finanzierungssystem, mit dem es Abramoff gelang, die Wahlkämpfe mehrerer Politiker zu finanzieren und zahlreiche, nur allzu willige Abgeordnete zu kaufen.

ADRIENNE WOLTERSDORF