Atomare Eiszeit legt sich über Iran

Gespräche mit EU-Trio über iranisches Atomprogramm ohne Ergebnis. Zunehmende innenpolitische Skepsis im Iran

BERLIN taz ■ Wie erwartet ist das Sondierungsgespräch am Mittwoch in Wien zwischen Iran und dem EU-Trio, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, über das iranische Atomprogramm ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Beschlossen wurde lediglich, sich zu einem weiteren Gespräch im Januar zu treffen. Die Fronten sind nach wie vor unüberbrückbar. Iran besteht darauf, den gesamten nuklearen Brennstoffkreislauf im eigenen Land zu produzieren. Demgegenüber verlangen die Europäer und noch mehr die USA die dauerhafte und endgültige Aussetzung der iranischen Urananreicherung. Selbst Russlands Vermittlungsvorschlag, die erste Stufe der Urananreicherung im Iran durchzuführen und den eigentlichen Brennstoff in Russland zu produzieren, scheint keine Lösung zu bieten. „Wir begrüßen jede Initiative“, sagte Hossein Entesami, Sprecher des nationalen Sicherheitsrats Iran. „Wir werden jedoch keinen Vorschlag akzeptieren, der Iran das verbriefte Recht verwehrt, den Brennstoff zur friedlichen Nutzung der Atomenergie im eigenen Land herzustellen.“

Seit der Wahl des Staatspräsidenten Ahmadinedschad im Juli dieses Jahres haben sich die Fronten verhärtet. Ahmadinedschad möchte nach eigenen Angaben einen Kurswechsel weg vom Westen hin zum Osten vornehmen. Die iranischen Beziehungen zu Russland, China und Indien sollen ausgebaut werden. Eine Allianz der islamischen Staaten, bei der Iran eine führende Rolle übernimmt, soll das internationale Kräfteverhältnis weiter zugunsten des Ostens verschieben.

Die harte Haltung Irans im Atomstreit und die jüngsten Verbalattacken Ahmadinedschads haben aber auch innenpolitische Gründe. Sie sollen von dem Chaos ablenken, das die neue Regierung seit ihrer Amtsübernahme angerichtet hat. Der Staatschef scheint von der Idee besessen, zu der Gründungszeit der Islamischen Republik zurückzukehren und durch eine „zweite Revolution“ eine „lupenreine islamische Gesellschaft“ aufzubauen. So hat er all die erfahrenen Experten aus den obersten Rängen der Staatsführung gefeuert und das Kabinett und die hohen Ämter mit seinen Kampfgefährten, die aus Kreisen der Militärs, Milizen und Geheimdienste stammen, besetzt. Seine Wirtschaftsmaßnahmen, die seinen populistischen Parolen entsprechend den „Barfüßigen und Habenichtsen“ Wohlstand bringen sollen, haben die iranische Wirtschaft stark verunsichert. Die Kapitalflucht ins Ausland hat stark zugenommen. Die Börse liegt seit Monaten brach.

All dies ruft selbst im Lager der Konservativen immer mehr Unmut und Kritik hervor. Gerade sie, die den größten Teil der iranischen Wirtschaft in der Hand haben, sehen ihre Interessen bedroht. Das mehrheitlich von Konservativen besetzte Parlament hat mehrmals Ministervorschläge und wichtige Wirtschaftspläne des Regierungschefs abgelehnt. Die Angst vor einer militärischen Intervention seitens der USA und Israel, denen die Politik Ahmadinedschads die besten Vorwände liefert, wächst. Gerüchte von möglichen Umsturzplänen sind im Umlauf. BAHMAN NIRUMAND