: Mehr Kündigungsschutz für junge Kollegen
ARBEITSRECHT Nach einem EU-Urteil, das Nachteile für jüngere Arbeitnehmer für unzulässig erklärte, will die Regierung deren Diskriminierung beim Kündigungsschutz aufheben. Eine generelle Kürzung lehnt sie ab
BERLIN taz | Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das die deutsche Regelung zu Kündigungsfristen beanstandet, hat das Bundesarbeitsministerium am Mittwoch angekündigt, baldmöglichst eine Gesetzesänderung vorzulegen. Der EuGH hatte am Dienstag in Luxemburg entschieden, dass die in Deutschland geltende Kündigungsregelung gegen EU-Recht verstößt, da sie eine verbotene Diskriminierung aus Altersgründen darstelle.
In Deutschland erhöht sich die gesetzliche Kündigungsfrist, die mindestens vier Wochen beträgt, in mehreren Stufen: Sie ist umso länger, je länger man im Betrieb arbeitet. Allerdings werden dabei bisher die Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr nicht berücksichtigt. Dagegen hatte eine heute 28-jährige Arbeitnehmerin geklagt. Sie wurde nach mehr als zehn Jahren Betriebszugehörigkeit mit einer einmonatigen Kündigungsfrist entlassen, da man ihr nur drei Jahre Beschäftigungsdauer anrechnete. Hätte man alle zehn Jahre angerechnet, hätte ihre Kündigungsfrist vier Monate betragen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund, Die Grünen, die Linkspartei und die SPD begrüßten die EuGH-Entscheidung. „Ich habe seit langem mit diesem Urteil gerechnet und bin dankbar dafür“, sagte Anette Kramme, Sprecherin für Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion. Als Antwort auf das EuGH-Urteil dürften jetzt allerdings keinesfalls die Kündigungsfristen allgemein verkürzt werden. „Die Arbeitgeberverbände haben scheinbar den Wunsch, daran zu drehen. Das ist inakzeptabel“, sagte Kramme.
Im Bundesarbeitsministerium scheint man keine derartigen Pläne zu haben. „Wir sehen keinen Anlass für eine Verkürzung der Kündigungsfristen“, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Überlegungen, wie die Ungleichbehandlung beendet werden könne, gingen eher in die Richtung, die Einschränkung für jüngere Arbeitnehmer ersatzlos aus dem Gesetz zu streichen.
Ähnlich äußerte sich Heinrich Kolb, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: „Ich glaube nicht, dass es erforderlich ist, Kündigungsfristen zu verkürzen“, sagte Kolb. Die Regierungskoalition müsse jetzt das Arbeitsrecht insgesamt überprüfen, um zu sehen, wo es möglicherweise mit Antidiskriminierungsvorschriften kollidiere.
Das Arbeitsministerium wies am Dienstag darauf hin, dass das EuGH-Urteil bereits jetzt – ohne Gesetzesnovellierung in Deutschland – gelte. EVA VÖLPEL