: „Ein Bekannter sagte: Du bist übergeschnappt“
INTERVIEW KLAUS JANSENUND MARTIN TEIGELER
taz: Sie haben der MLPD 614.167 Euro und 40 Cent gespendet. Warum die krumme Summe?Michael May: Die genaue Summe weiß ich gar nicht auswendig. Das waren Wertpapiere und die werden ja dann zu einem zufälligen Tageskurs verrechnet und als Spende beim Bundestagspräsidenten angegeben.
Die 40 Cent haben keine besondere Bedeutung, sondern sie gaben, was da war?Genau. Das Geld ist aus einer Erbschaft. Meine Mutter ist im November 2004 gestorben.
Wie hat Ihr privates Umfeld auf die Spende reagiert?Insgesamt haben die positiv reagiert. Einige haben geflachst: Du bist übergeschnappt. Ein Bekannter meinte scherzhaft, seine Frau hätte ihn in den Karnickelstall gesperrt, wenn er sowas getan hätte.
Warum spendeten Sie gerade an die MLPD?Ich denke, wir brauchen eine gesellschaftliche Alternative. Der Müntefering kritisiert den Kapitalismus ja nur, macht aber eine kapitalistische Politik. Die MLPD ist eine Partei, die sich in sozialen Kämpfen an die Seite der Arbeiter stellt. Egal ob das im vergangenen Jahr die Opelaner in Bochum oder die Montagsdemonstranten waren. Das ist ein Markenzeichen der MLPD und eine Stärke. Die MLPD hat zudem Schlussfolgerungen gezogen aus dem Scheitern des ersten Anlauf des Sozialismus.
Vom Realsozialismus von vor 1989 distanziert sich die MLPD mit dem Begriff des „echten Sozialismus“. Was heißt das?Die MLPD spricht ja bezüglich der DDR vom bürokratischen Kapitalismus, weil die sozialistischen Grundlagen seit den 50er Jahren aufgehoben worden sind. Lenin hat ja gesagt: „Die Putzfrau muss regieren lernen.“ Und er hat gesagt: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Damit hat er nicht die Überwachung der Bevölkerung gemeint wie Honecker mit der Stasi. Im Sozialismus muss die Kontrolle der verantwortlichen Leitungen von unten erfolgen, von den einfachen Leuten.
Wie sind Sie als Kind einer offenbar wohlhabenden Familie zum Bergmann geworden?Ich war nicht unter Tage. Ich war Bergbaubeschäftigter, Sachbearbeiter für Bergschäden bei der Deutschen Steinkohle, seit 1. Oktober befinde ich mich in Anpassung. Aber ich fühle mich den Bergleuten verbunden und wohne seit langem in einer Bergarbeitersiedlung. Bis heute lebe ich von dem, was ich durch meine Arbeit verdient habe.
Sind Sie bewusst in diese Branche gegangen?Ich bin bewusst in einen Industriebetrieb gegangen, weil mich das angezogen hat. Vorher hatte ich Architektur studiert und mir auch Architekturbüros angeguckt. Das gefiel mir nicht so.
Wie und wann sind Sie politisch geworden?Ich muss mal zurückrechnen. Zur Zeit der Notstandsgesetze und des Vietnamkriegs in den 60er Jahren. Und dann habe ich gemerkt, dass diese antiautoritäre Studentenbewegung zusammengekracht ist und eigentlich nichts bewirkt hat.
Wer gefiel Ihnen damals besser als die 68er?Was mich damals beeindruckte waren 1969 die ersten wilden Streiks hier im Ruhrgebiet für Lohnerhöhungen. Das lief parallel zu der Studentenbewegung. Diese Kraft, die da ausging von den Arbeitern, war beeindruckend. Später waren es dann Kämpfe wie die Auseinandersetzung bei Krupp in Duisburg-Rheinhausen 1987/88.
Also waren Sie eher an praktischer Politik als an Theorien interessiert?An beidem.
Auch an den Ideen des MLPD-Gründers Willi Dickhut, der für eine „proletarische Denkweise“ plädierte?Ja, gerade wenn man heute von Marxismus redet, muss man das, was in der DDR gelaufen ist, theoretisch verarbeiten. Das ist etwa ein Kritik an der Linkspartei.PDS von mir: Dass sie das Scheitern dieses angeblichen Sozialismus da vor 1989 nicht grundsätzlich aufarbeitet. Das ist ein Schwachpunkt der Linkspartei. Mit der DDR kann man keine Arbeiter, keine Krankenschwester und auch sonst niemanden hinterm Ofen hervorlocken.
Mit der MLPD aber offenbar noch weniger. Bei der Bundestagswahl erhielt die Partei bundesweit nur 46.000 Stimmen.Es war schon ein Linkstrend bei der Wahl abzulesen. Die Masse der Stimmen hat zugegeben vor allem die Linkspartei gekriegt. Aber das ist angesichts dessen, was in den Medien war, ja auch zu erklären. Die MLPD hat dagegen ihre Stärken bei den konkreten politischen Kämpfen vor Ort und wie gesagt bei der Auseinandersetzung über eine gesellschaftliche Alternative. Ich fände es gut, wenn diese Parteien in Zukunft ohne Vorbehalte zusammenarbeiten würden.
Die verschiedenen linken Parteien sind sich oft nicht grün. Auch beim Opel-Streik gab es Streit und Rivalitäten.Ich war in Bochum nicht dabei. Aber bei den Montagsdemos in Duisburg haben Leute von WASG, PDS, MLPD und anderen Gruppen zusammengearbeitet und solidarisch gestritten.
In Gelsenkirchen gab es zwei getrennte Montagsdemozüge, einer von der MLPD, einer von anderen Linken. Wie kommt es, dass man auseinander driftet?Manchen, die gerne über andere Köpfe hinweg entscheiden, passt es nicht, wenn sich Leute selbst organisieren und kämpfen. Manchmal braucht die Entwicklung zur Zusammenarbeit auch etwas Zeit. In Sachen Bürgerbegehren zum Hans-Sachs-Haus arbeiten MLPD, WASG, AUF und Linkspartei in Gelsenkirchen doch inzwischen gut zusammen.
Sie wollen ein Linksbündnis unter Einschluss der MLPD?Gegen das Programm der Merkel-Regierung müssen alle, die es ehrlich meinen, zusammen kämpfen. Außer mit den Faschisten sollte man vorbehaltlos mit allen gegen die ganze Kürzungsorgie von Merkel zusammenarbeiten. Allein was an Kürzungen auf die Bergleute zukommt, muss auf Widerstand treffen.
Wer kann mehr gegen Kürzungen erreichen: Die Linkspartei im Bundestag oder die Demonstranten auf der Straße?Dass die Linkspartei im Bundestag viel verändern kann, glaube ich nicht. Klasse wäre, wenn die Linke im Parlament soziale Kämpfe wie etwa jetzt aktuell der Beschäftigten bei Electrolux-AEG unterstützt. Die vielen kleinen Kämpfe in Betrieben müssen zusammenlaufen, zu einem richtigen Strom. Da müssen auch die verantwortlichen Leute bei der Linkspartei über ihren Schatten springen.
Die MLPD beansprucht keine Führungsrolle in einem Linksbündnis? Ist ihr dabei nicht ihr von vielen als sektiererisch wahrgenommener Heilsanspruch im Weg?Meine Meinung ist, dass die MLPD bei den Kämpfen der letzten Jahre die meiste Erfahrung vorweisen kann. Das hat nichts mit Heilsanspruch zu tun. Wenn die MLPD offenes Mikro macht bei einer Demo, kann da jeder sagen, was er will. Die MLPD kann den Opelarbeitern Vorschläge machen zu ihrem Streik. Wie sie ihren Kampf führen, müssen die Opelaner aber selbst entscheiden.
Wie wichtig ist es für die MLPD, Kader zu haben?Ich weiß ja nicht, was Sie mit Kader meinen. Wichtig ist es, in sozialen Kämpfen erfahrene Leute zu haben, die auch gelernt haben aus Konflikten in Deutschland und international. Man braucht ein gewisses Know-How, das aber niemanden das Recht gibt, sich über andere zu erheben.
Hat die Linke nicht das Problem, dass die Arbeiterschaft als Zielgruppe seit Jahrzehnten immer kleiner wird, dass in den rationalisierten Betrieben immer weniger da sind, um sich zu organisieren?Im Gegenteil, derzeit weitet sich das Feld doch eher aus. Die privatisieren die Krankenhäuser, die privatisieren alles Mögliche. Leute, die sich vor 20 Jahren nicht als Industriearbeiter gefühlt haben, arbeiten heute wie Arbeiter. Selbst die Klinikärzte arbeiten ja heute am Fließband wie Fabrikarbeiter – natürlich auf einem anderen Kulturniveau als vor 100 Jahren. Ganz neue Schichten fangen jetzt an zu streiken.
Wofür streiken? Welche Gesellschaftsordnung wünschen Sie sich?Ein Sozialismus, der aus den gescheiterten Anläufen in der Vergangenheit schöpferisch seine Lehren zieht.
Diktatur des Proletariats?Es muss in einem Sozialismus verhindert werden, dass wieder einzelne an der Spitze ihr Süppchen kochen wie in der DDR. Die hieß Arbeiter- und Bauernstaat, aber die Arbeiter hatten nichts zu sagen.
Wissen Sie, was die MLPD mit Ihrem Geld macht?Ich habe daran keine Bedingungen geknüpft. Ich denke, die werden das für ihre Kleinarbeit in den Betrieben und Wohngebieten einsetzen.
Wie hat die Parteiführung auf ihre Spende reagiert?(lacht) Also ich habe keine Ehrennadel bekommen oder sowas. Also was soll ich sagen: Die haben sich bedankt. Mach ich Weihnachten auch immer (lacht).
Apropos Weihnachten. Spenden Sie auch sonst, etwa für caritative Zwecke?Nö. Ich beteilige mich an der Finanzierung sozialer Kämpfe.