VERTEIDIGUNGSMINISTER JUNG & UNSERE „SOLDATINNEN UND SOLDATEN“ : Verkitschte Blicke sind nicht harmlos
Der Weihnachtsbesuch des Verteidigungsministers bei der Bundeswehr im Auslandseinsatz hat inzwischen Tradition. Die meisten Soldaten dürften das angemessen finden – Arbeitnehmer haben es gern, wenn ein Chef ihre Leistung würdigt. Noch lieber ist es ihnen allerdings, wenn sich Anerkennung auch konkret äußert, beispielsweise in der Verlässlichkeit von Weihnachtsgeldzahlungen. Diskussionen darüber, ob es ganz oder teilweise abgeschafft werden sollte, sind schlechter fürs Betriebsklima, als Festansprachen gut sind.
Soldaten gleichen Millionen anderer Deutscher, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Wer falsch findet, was sie tun – beispielsweise die Teilnahme an Kampfeinsätzen –, sollte sich darum bemühen, dieser Überzeugung politisches Gehör zu verschaffen. Militärs sind dafür die falsche Adresse. Auch das ist mit dem Primat der Politik gemeint.
Soldaten haben denselben Anspruch auf vernünftige Arbeitsbedingungen und auf verantwortungsbewusste Vorgesetzte wie andere Arbeitnehmer. Worauf sie allerdings keinen Anspruch haben: auf eine pathetische Überhöhung ihrer Tätigkeit. Alle Jahre wieder – und immer häufiger auch zu jedem anderen unpassenden Anlass – erwecken Verteidigungspolitiker und zahlreiche Medien den Eindruck, die Bundeswehr bestünde aus lauter selbstlosen Helden, die ihr Leben für uns alle aufs Spiel setzten und von keinem anderen Ziel beseelt seien, als möglichst viel Gutes zu tun.
Die Berichte über psychische Probleme junger Männer, die sechs Monate von ihren Freundinnen getrennt sind, und über traurige Väter, die nicht mit ihren Kindern vor dem Tannenbaum sitzen dürfen, sind schlicht albern. Was sollen denn Arbeiter auf Montage sagen? Fahrer von Gefahrguttransporten? Oder Ärztinnen, die für eine Hilfsorganisation in einem Krisengebiet tätig sind?
Der verkitschte Blick aufs Militär ist nicht harmlos. Er malt ein Bild, in dem die Bundeswehr nicht mehr als bewaffnete Streitmacht auftaucht, die ihre Ziele notfalls mit Gewalt durchsetzt, sondern als karitative Einrichtung. Das ist eine sehr verlogene Weihnachtsbotschaft. BETTINA GAUS