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Archiv-Artikel

Angriff auf die iberische Festung

CHAMPIONS LEAGUE Die besten deutschen Klubs treffen auf Spaniens Eliteteams. Der Traum von einem rein deutschen Finale in London darf weitergeträumt werden. Doch sind die Deutschen wirklich reif für die Machtübernahme im europäischen Fußball?

EIN JA VON ANDREAS RÜTTENAUER

War’s das für die Bayern? Barcelona! Unvergessen ist das 0:4 in Camp Nou vor vier Jahren, als die Münchner angeleitet von Jürgen Klinsmann den deutschen Fußball regelrecht blamiert haben. Borussia Dortmund kämpfte in jenem Jahr vergeblich um einen Platz im Europapokal. Von Gegnern aus Spanien musste man noch träumen beim BVB. 2008 hatte die deutsche Nationalmannschaft im EM-Finale von Wien nicht den Hauch einer Chance gegen Spanien und auch 2010, im Halbfinale der WM, hatte sie so recht keine Idee im Spiel gegen den späteren Weltmeister. Alles anders? Ist nach zwei deutsch-spanischen Halbfinals plötzlich ein rein nationaler Endkampf in der Champions League möglich? Er ist es!

Denn es hat sich einiges getan. In Dortmund hat Trainer Jürgen Klopp mit seiner fast wahnhaften Balleroberungsideologie, mit seinem Gegen-den-Ball-Arbeitsmythos ein neues Modell des athletischen, auf Laufarbeit getrimmten Teutonenfußballs entwickelt, der die Gegner hilflos erscheinen lässt. Auf den talentierten Fußballnachwuchs in Deutschland wirkt dieses System so attraktiv, dass es für den BVB kein Problem mehr ist, die Mannschaft mit den besten Talenten, die das Land zu bieten hat, zu optimieren. In Dortmund scheint das Ackern auch Feinfüßlern Spaß zu machen. Dem Publikum sowieso. Das hat sich verwundert die Augen gerieben, als die Dortmunder in den Gruppenspielen Xabi Alonso, den notorischen Spieleröffner von Real Madrid, unter Druck gesetzt haben, so dass der Fehler um Fehler gemacht hat. Beim BVB weiß man, wie Madrid zu schlagen ist. Reals Trainer Jose Mourinho muss sich erst noch etwas einfallen lassen.

Auch in München hat sich seit dem Desaster von 2009 etliches getan. Trainer Louis van Gaal hat den Münchnen Ballsicherheit gegeben und Jupp Heynckes hat verstanden, dass das allein nicht mehr reicht. Er hat die Hintenrumspieler von einst zu Vorneverteidigern gemacht. Wer im Viertelfinale gesehen hat, wie schwer sich die Spieler von Juventus Turin mit dem Spielmachen getan haben, der kann sich vorstellen, dass die Bayern mittlerweile mithalten können mit den Ballmonopolisierern vom FC Barcelona. Sie können mitspielen mit Barca.

Die Zeit der spanischen Dominanz im europäischen Fußball könnte zu Ende gehen. Die Deutschen kommen mit Hirn und viel Hurra.

EIN NEIN VON JOHANNES KOPP

Jetzt sollen es also die Bundesligaklubs richten. Seit Jahren schon eifert das deutsche Nationalteam dem spanischen Schönheitsideal nach. Und Jahr für Jahr wird aufs Neue vermessen, wie viel noch zur Perfektion fehlt. Irgendein Makel blieb immer. Zuletzt trug er den Namen Mario Balotelli. Nun sollen die Bundesligaklubs das Ruder an sich reißen. In der Vergangenheit wurden sie stets angehalten, sich ein Beispiel an der Nationalmannschaft zu nehmen. Nun können sie in den deutsch-spanischen Halbfinalduellen der Champions League zeigen, dass der deutsche Fußball dem spanischen gegenüber keine Komplexe hegen muss.

Philipp Lahm, der Musterschüler des neuen deutschen Selbstbewusstseins, behauptete bereits vor der Auslosung nassforsch: Die besten vier Klubs Europas hätten sich durchgesetzt und alle spielten auf Augenhöhe. Englische und italienische Klubs spielen nicht nur im Halbfinale, sondern auch in Lahms Gedankenwelt keine Rolle mehr. Und dass Borussia Dortmund sich nur dank eines glücklichen Schlussspurts gegen den Champions-League-Qualifikanten FC Malaga durchsetzte – egal. Die Deutschen sind wieder wer im eruopäischen Fußball und die Spanier machen längst nicht mehr so einen übermächtigen Eindruck. Schließlich hat Real Madrid bereits in der Vorrunde gegen Dortmund Federn lassen müssen. Warum also nicht ein zweites Mal? Und Barcelona wirkte nicht nur in der Viertelfinalpaarung gegen Paris St. Germain ein wenig zu unentschieden. Den Katalanen scheint bei internationalen Vergleichen die spielerische Leichtigkeit abhandengekommen zu sein. Nun werden sich neben Lahm gewiss noch einige andere aus München und Dortmund in die Brust werfen. All das erinnert einen an das verbale Vorgeplänkel zur Europameisterschaft 2012. Auch damals sprachen sich die Deutschen Mut zu. Und auch damals wirkten die Spanier angreifbar. Als es jedoch ernst wurde, entfaltete lediglich das Team von Vicente del Bosque seine ganze Pracht.

Auch im Klubfußball bleibt Spanien das Maß aller Dinge. Uli Hoeneß’ Bekenntnis, Dortmund sei für ihn ein Wunschlos, darf nicht nur auf den Aspekt der pychologischen Kriegsführung gegen Dortmund reduziert werden. Und Jürgen Klopps Freude, überhaupt noch im Lostopf dabei zu sein, hatte schon fast etwas vom olympischen Motto: „Dabei sein ist alles.“