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Archiv-Artikel

„Das sagt Acki auch genau so“

Als ewiger HSVer erklärt Fan, Lehrer, Buchautor und Aufsichtsrat Axel Formeseyn, weshalb die Zuschauerentwicklung beim Hamburger Tabellenzweiten beinahe so positiv ist, wie die sportliche Aussicht, und warum auch Modefans bedingt willkommen sind

Interview: Oke Göttlich

taz: Welches außerordentliche Spiel des HSV während dieser Hinserie hat Sie am meisten begeistert?

Axel Formeseyn: Natürlich der Sieg gegen Bayern. Schon nach zehn Sekunden macht Timothee Atouba den blöden Hasan Salihamidzic auf‘m Bierdeckel nass. Watt hebb wi lacht, wie wir in Nordfriesland sagen. Genauso ein Traum war auch der Last-Minute-Sieg in Kopenhagen, den ich und weitere 6.000 HSV-Fans zirka eine Stunde gefeiert haben. Meine Auswärtsspiele kann man jedoch an einer Hand abzählen. Ich glaube, ich wäre auch die längste Zeit verheiratet, wenn das anders wäre ...

In Ihrem Buch geht es viel um die Trostlosigkeit des HSV-Fandaseins in den vergangenen Jahren. Wie sehr entschädigt der bisherige Saisonverlauf?

Ganz ehrlich: Ich bin mit 33 Jahren zu alt, um jeden Samstag euphorisiert und besoffen durch Hamburgs Straßen zu ziehen. Aber, ganz klar: Im Freundeskreis ist man als HSV-Fan endlich mal wieder der ungekrönte King. Trotzdem: Ich war auch im strömenden Regen vor 12.000 Zuschauern gegen Wattenscheid 09 im alten Volksparkstadion glücklich, dabei zu sein.

Welche Veränderungen führten aus Ihrer Sicht dazu, dass der HSV inzwischen zu den wenigen Spaßtempeln der Bundesliga zählt?

Spaßtempel find ich zwar etwas übertrieben, denn grade, wenn‘s mal nicht so läuft, könnte die Unterstützung von den Tribünen noch besser sein. Aber dass es weit besser als in anderen Städten und Stadien läuft, liegt sicher daran, dass Vorstand, Trainerstab und Mannschaft jung, zu weiten Teilen authentisch und mit ganzem Herzen bei der Sache sind. Nebenbei schadet es meiner Ansicht nach nicht, dass es einen großen Supporters- (vereinspolitisch aktive Gruppe, Anm. der Red.) und Fanstamm gibt, der dafür sorgt, dass es vereins-, aber auch gesellschaftspolitisch und nicht zuletzt stimmungstechnisch bei den Rothosen vorwärts geht. Besonders die gelungenen Choreographien, aber vor allem das Bekenntnis gegen Rechtsradikalismus durch den Supporters Club sind Dinge, die mich wirklich riesig stolz machen. Das war beim HSV lange Zeit nicht selbstverständlich. Schön, dass das jetzt auch mal andere mitkriegen ...

Wie hat sich die Fanlandschaft in den vergangenen Jahren verändert?

Ich denke, dass der generelle Fußballboom, der Niedergang des ehemaligen Lokalrivalen und die dadurch „gewonnenen“ neuen Fanschichten (Kinder, Frauen, „Intellektuelle“) durchaus dazu geführt haben, dass beim HSV auf den Tribünen dumpfes Gedankengut keine tragende Rolle mehr spielt und durchaus auch Selbstironie Einzug in die Fanszene gehalten hat.

Auf einmal erlebt man kreative HSV-Choreographien. Wie kam es zu diesem positiven fankulturellen Schub, wenngleich noch immer Sieg-Gebrüll angestimmt wird?

Es bedarf sicherlich noch einiger Zeit, diese Unarten gänzlich abzustellen. Ich habe nix gegen ein herzhaftes „Ihr Schweine!“ Schlimm wird es für mich immer dann, wenn es um so eine deutschtümelnde Schiene wie bei diesem unsäglichen „Sieg!“-Geschrei geht. Ich gehe aber davon aus, dass Fangruppierungen wie „Chosen Few“ oder „Poptown“ dafür sorgen werden, dass diese destruktive, auf Beleidigungen ausgerichtete Fanspezies sich weiter ins Positive wandelt. Dennoch: Ganz politisch korrekt wird die HSV-Fanszene sicher nie sein. Und das muss sie auch nicht, solange dumpfes rechtes Gebrüll ausbleibt.

Gibt es eine ähnlich kontroverse Diskussion über vermeintliche Modefans, die sich im Erfolg zum HSV bekennen, wie seinerzeit beim FC St. Pauli zu Erstligatagen?

Die Situationen sind sicher nicht miteinander zu vergleichen. Wo stünde Pauli ohne Modefans oder Leute, die sich nur aus Imagegründen zu Pauli bekennen? Siehe zuletzt Smudo beim Fettes Brot-Konzert in der Color Line Arena. Er wäre genauso unbedeutend, wie er sportlich derzeit ist. Der HSV ist dagegen der Verein für alle Hamburger. Da ist es doch klar, dass die Stadt ausflippt, wenn der erste Klub am Ort endlich mal Erfolg hat. Ich für meinen Teil fühle mich auch wohler, wenn ich ausschließlich Ur-HSVer um mich herum habe, die mit mir schon 1991 in der Westkurve standen. Nur: Modefans bringen dem HSV einfach Kohle und ein Zuschauerschnitt von 50.000 Besuchern ermöglicht einfach einen größeren Erfolg als einer von 14.000 wie 1988. Das kapiert bei uns jeder. Ich denke, es muss gewährleistet bleiben, dass nicht Tagesbesucher inmitten von support-willigen HSV-Maniacs sitzen und die Stimmung gedrückt wird.

Empfinden Sie den Hype um den HSV derzeit als störend oder als Genugtuung?

Ich emfinde das ganz ehrlich nicht als störend. Natürlich befremden mich Typen, die mit Prosecco statt Bier anstoßen. Aber: Wer hat damals bei dem so oft zitierten Spiel gegen Wattenscheid nicht davon geträumt, einmal vor 50.000 Zuschauern gegen einen ähnlich kruden Gegner wie Duisburg zu spielen?

Wessen Blick auf den HSV ist der momentan bestimmende bei Axel Formeseyn? Der des Acki oder des Aufsichtsrats?

Ganz klar der Acki-Blick. Ich bin und bleibe immer zuvorderst Fan meines HSV. Mit aller Naivität, die für mich dazugehört.

Welche unterschiedlichen Wünsche richten Acki und der Aufsichtsrat an seinen Verein?

Acki will einen HSV, der sich gesellschaftspolitisch noch mehr engagiert, sich seiner Verantwortung gegenüber den Fans bewusst ist und sich nicht zu schade ist, in bestimmten Fragen auch einmal ganz klar Stellung zu beziehen. Was nicht falsch zu verstehen ist: Wenn notwendig! Nicht aus Imagegründen, wie bei einem in der Nähe gelegenen Regionalliga-Club. Außerdem wünsche ich mir nicht noch mehr VIP-Plätze. Ich finde, Fußball beim HSV muss erschwinglich bleiben. Und das sagt Acki auch genau so im Aufsichtsrat. Versprochen.