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Archiv-Artikel

Konzertierter Abgang

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

Bei dem Ausstieg von drei Abgeordneten aus der sächsischen NPD-Landtagsfraktion handelt es sich nicht um spontane Reaktionen, sondern um eine konzertierte Aktion, bei der der sächsische Verfassungsschutz seine Hände im Spiel hatte. Dies wurde der taz aus Sicherheitskreisen bestätigt. Im Abstand von jeweils drei Tagen hatten Mirko Schmidt, Klaus Beier und Jürgen Schön in der Woche vor Weihnachten ihren Parteiaustritt erklärt. Sie bleiben als fraktionslose Abgeordnete im Landtag. Weitere NPD-Abgeordnete bereiten nach Informationen der taz ihren Rückzug aus der jetzt noch neunköpfigen Fraktion nicht vor.

Über die Art der „Begleitung“ der Abgeordneten, so die Wortwahl von Verfassungsschutzsprecher Alrik Bauer, sind Einzelheiten bislang kaum bekannt. Sie erfolgte bei den drei Kandidaten unterschiedlich intensiv. So dauerten die Kontakte zu dem Immobilienverwalter Mirko Schmidt am längsten an und mündeten in das offizielle Aussteigerprogramm, das in Sachsen bereits 32 Personen aus der rechten Szene in Anspruch nahmen. Der Krankenpfleger Klaus Baier bestreitet jede aktive Kontaktaufnahme mit dem VS und will nur Polizeischutz aus Angst vor Übergriffen erbeten haben. Darum habe sich jedoch angeblich auch der Verfassungsschutz gekümmert, was Fragen nach dem Trennungsgebot von Polizei und Verfassungsschutz laut werden ließ. Mit dem Gastwirt Jürgen Schön soll es nach taz-Informationen entgegen seiner eigenen Darstellung zumindest VS-Gespräche gegeben haben.

Alle drei Aussteiger sind persönlich gut miteinander bekannt und lassen sich dem ostdeutsch-sozial orientierten „linken Flügel“ der NPD zurechnen. Baier betont ausdrücklich seine Freundschaft mit Mirko Schmidt und erwähnt in seiner Austrittserklärung seine Solidarität mit dessen Auffassungen.

An der Aufklärung der tatsächlichen Rolle des Verfassungsschutzes zeigen links und rechts ein auffälliges gemeinsames Interesse. Der NPD-Ideologe Jürgen Gansel wetterte erwartungsgemäß gegen die „undemokratischen Machenschaften der BRD-Stasi“. Aber auch André Hahn, parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Landtag, kritisiert: „Die Herauslösung von gewählten Abgeordneten aus ihrer Fraktion und die damit möglicherweise einhergehende Änderung von Mehrheitsverhältnissen ist mit Sicherheit keine Aufgabe des Verfassungsschutzes.“ VS-Sprecher Bauer wurde deshalb nicht müde zu betonen, dass man selbst nicht aktiv auf die Wackelkandidaten der NPD zugegangen sei.

Künftige Mehrheitskonstellationen im Landtag werden auch im neuen Jahr ein beliebtes Gesprächsthema bleiben. Vor einem Jahr fehlte einem von beiden Seiten favorisierten CDU-FDP-Bündnis nach der Landtagswahl nur ein Sitz an der Mehrheit. Nun sitzen drei fraktionslose Abgeordnete im Landtag, die zur Union tendieren. Jürgen Schön hat Eintritts-wünsche in die CDU offen geäußert. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmar wies die Avancen umgehend zurück. NPD-Renegat Klaus Baier dementierte Absichten, sich in einer anderen rechten Formation zu engagieren.

In Krisenzeiten könnte die CDU jedoch versuchen, aufgrund der neuen Verhältnisse im Landtag gegenüber dem derzeitigen Koalitionspartner SPD ein „Druckpotenzial“ aufzubauen. Eine fundamentale Kontroverse zeichnet sich beispielsweise beim neuen Hochschulgesetz ab. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und Wissenschaftsministerin Barbara Ludwig (SPD) haben völlig unterschiedliche Auffassungen zu Studiengebühren und zum Gesamtverständnis einer Universität.