: berliner szenen Wasser zu Geld machen
Die Supermarkttrinkerin
Diese Frau musste wirklich Durst gehabt haben. Die Flasche, die sie in der Hand hielt, war jetzt leer. Anderthalb Liter Mineralwasser hatten binnen weniger Augenblicke in ihrem Magen ein neues Zuhause gefunden. Ich hatte meinen Einkaufswagen abgebremst, war an die Seite gefahren und sah fasziniert zu ihr hinüber.
Sie war vielleicht vierzig Jahre alt. Sie war gut gekleidet. Sie trug eine Perlenkette und Ohrringe. Sie musste bestimmt gleich fürchterlich rülpsen.
Ich wartete.
Nichts.
Und jetzt?, dachte ich. Stellt sie die Flasche einfach zurück ins Regal? Sie schien selbst einen Moment darüber nachzudenken, aber dann legte sie die Flasche in ihren Einkaufswagen. Neben ihre Handtasche, ein Netz Zwiebeln, ein Toastbrot und zwei Milchkartons. Es schien nichts Aufregendes mehr zu passieren, deshalb warf ich einen Blick auf meine Einkaufsliste, die ich zu Hause geschrieben hatte, und steuerte die Tiefkühlfächer an.
An der Kasse sah ich die Frau wieder. Sie stand direkt vor mir in der Schlange. Es waren noch eine Packung Schinkenwürfel und eine Aubergine in ihrem Wagen gewandert, außerdem drei weitere leere Flaschen. Sechs leere Liter Wasser, rechnete ich. Ich warf einen Blick auf ihren Bauch, doch er sah nicht so aus, als ob sich in ihm das ganze Wasser befand. Aber was sollte sie sonst mit diesen sechs Litern gemacht haben? Vielleicht war sie ja eine professionelle Wassertrinkerin, die kurz vor einem Wettkampf stand und gerade trainierte. Dann war sie an der Reihe. Sie packte ihre Einkäufe aufs Band, auch die Flaschen, und die Kassiererin begann die Ware über den Scanner zu ziehen. Die Kassiererin zeigte auf die Flaschen und fragte: „Leergut?“
Die Frau nickte. DANIEL KLAUS