Rausfliegen statt weiterbilden

Obwohl den Deutschen bald qualifizierte Arbeitskräfte ausgehen, werden über 55-Jährige ins berufliche Aus befördert

Wer in Deutschland mit Mitte 50 seinen Job verliert, hat nur noch geringe Chancen auf eine neue Stelle. In kaum einer anderen westeuropäischen Volkswirtschaft ist der Anteil der älteren Arbeitslosen so groß wie in der Bundesrepublik – im November waren 391.000 Männer und Frauen über 55 Jahre arbeitslos. Der Deutsche Gewerkschaftsbund nennt das „offene Altersdiskriminierung“.

Alarmiert über die Entwicklung zeigt sich inzwischen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie appellierte an die neue schwarz-rote Bundesregierung, dringend die Erwerbstätigkeit älterer Menschen zu fördern. Nachholbedarf habe Deutschland besonders bei der Weiterbildung und der Vermittlung älterer Arbeitsloser.

Das Paradoxe: Nach Einschätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kann sich die deutsche Wirtschaft den Luxus einer Belegschaft ohne ältere Kollegen schon bald nicht mehr leisten. Angesichts des dramatischen Rückgangs der Bevölkerung in den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten droht der deutschen Volkswirtschaft ein akuter Fachkräftemangel. Ältere und erfahrene Fachkräfte, die sich durch Weiterbildung beruflich und geistig fit halten, würden dann wahrscheinlich mit Handkuss genommen.

Nach Szenarien dürfte die Zahl der Erwerbspersonen – Männer und Frauen, die Arbeit haben oder einen Job suchen – von derzeit 44,5 im Jahre 2050 auf 39,7 Millionen sinken; dabei haben die Wissenschaftler schon eine jährliche Zuwanderung ausländischer Kräfte von rund 300.000 unterstellt. Ohne Zuwanderung würde die Zahl sogar auf 31,5 Millionen abrutschen – 13 Millionen weniger als heute.

Auch der Gesetzgeber trage einen Teil der Verantwortung dafür, dass ältere Arbeitnehmer diskriminiert würden, heißt es in einer Studie der Nürnberger Forscher. Der Bundestag habe mit finanziellen Anreizen das frühzeitige Ausscheiden Älterer aus dem Arbeitsleben geradezu begünstigt. Als Beispiel führen die Autoren der Studie die Altersteilzeitregelung an. Allein im Jahr 2004 hätten fast 80.000 Beschäftigte von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, früher aus dem Berufsleben auszuscheiden. Im Jahr 1998 waren es nur 8.200 gewesen. dpa