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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Qualität mit Gesicht

■ betr.: „Weniger Fleisch essen hilft“, taz vom 20. 1. 10

Seit langer Zeit kann ich mich nur wundern, warum all die fleißig CO2 berechnenden Wissenschaftler nicht auf die am nächsten liegenden Lösungen kommen: Wenn wir Tiertransporte auf 10 oder 20 Kilometer begrenzen und die Bauern kein Futter zukaufen dürfen, sind alle Probleme gelöst: Die schrecklichen Transporte zu unbekannten industriellen Schlachthöfen am Ende der Welt werden unnötig. Wir transportieren kein Soja mehr von Brasilien zu unseren Bauern. Der Gen-Futter-Wahn für Mensch und Tier hat ein Ende. Die Zwischenschritte in der Verarbeitung und Verpackung fallen weg, die auch immer mit Transporten einhergehen. Die Diversität unserer Nahrungsmittel steigt wieder. Die vielen lokalen und regionalen Spezialitäten kommen zurück. Wir bekommen wieder viele lokale Arbeitsplätze. Die Menschen, die herstellen und verkaufen, essen es auch selbst! Das gibt automatisch Qualität mit Gesicht. Niemand fährt zum Arbeitsplatz weit durch die Gegend. Die Abhängigkeit von der Nahrungsmittelindustrie löst sich in Wohlgefallen auf. Dadurch sinkt automatisch die Abhängigkeit der Wissenschaft von dieser Industrie. Es gibt keine industrielle, grausame Tiermast mehr. Die Böden werden nicht mehr mit Nitrat überlastet. Wir schippern das Gift nicht mehr durch die Welt und blasen viel weniger in die Luft. Das Fleisch wird etwas teurer, dann essen wir weniger davon und werfen nichts davon weg. FRANK BERNER, Stuttgart

Energiewende

■ betr.: „Solaranlage schlägt Steckdose“, taz vom 22. 1. 10

Die Energiewende kommt und wird nun mit der Kürzung der Einspeisevergütung eingeleitet. Die Gespräche über die Laufzeitverlängerung der AKWs passen auf der anderen Seite genau zeitlich zusammen. Umweltfreundlich erzeugter Strom soll nicht die Großkonzerne mit ihrem fossil und atomar erzeugten Strom ins Hintertreffen bringen. Arbeitsplätze, die in den letzten Jahren in mittelständischen Installationsbetrieben entstanden sind, sollen genauso vernichtet werden wie die in den Produktionsstätten der Modul- und Wechselrichterhersteller, sowie in der Forschung und Entwicklung. Bleibt an dem Thema dran, und nicht nur als Randnotiz.GERHARD WERUM, Dieburg

Da geht noch was

■ betr.: „Zehn Jahre Attac – Geht da noch was?“, taz vom 22. 1. 10

Natürlich geht bei Attac noch etwas. Denn der erste Schritt, das Bewusstsein der Politik dahin zu verändern, dass freie Märkte nicht immer ein gutes Ergebnis liefern, gilt nicht erst seit der Finanzkrise als gelungen. Dies sollte Selbstbewusstsein geben, den Einfluss auszuweiten, damit Politiker wie Angela Merkel nicht nur auf Gipfeln die Rhetorik der Organisation übernehmen, sondern zu Hause Taten beschließen. Jene lassen nämlich weiter auf sich warten, wie ihr Abtun einer Boni-Besteuerung als „charmante Idee“ zeigt, während selbst angelsächsische Länder die Reform einführen. Attac muss sich nicht neu erfinden, sondern nur den Druck erhöhen. RASMUS PH. HELT, Hamburg

Sie hat Verheerendes angerichtet

■ betr.: Nachrufe auf Katharina Rutschky, taz vom 16./17. 1. 10

Über Tote nur Gutes, so lautet ja wohl eine Grundregel für Nachrufe. Dennoch wäre eine kritischere Würdigung von Katharina Rutschky angemessen gewesen, die ja selbst nicht gerade zimperlich mit anderen umgegangen ist. Ich fand die geradezu anbetende Huldigung von Jan Feddersen stellenweise unerträglich! Ich kann nicht beurteilen, ob Katharina Rutschky ein so sympathischer Mensch war. Kann sein. Und ihre Veröffentlichungen über die „Schwarze Pädagogik“ haben mich als Jugendliche auch sehr beeindruckt.

Als sie dann ihr Pamphlet zum „Missbrauch mit dem Missbrauch“ veröffentlichte, arbeitete ich schon länger in einer Beratungsstelle zu sexueller Gewalt und kann beurteilen, dass sie mit diesem Schlagwort wirklich Verheerendes angerichtet hat. Dass sie Feministinnen damit ohrfeigte, damit konnte ich gut leben, das war schließlich nichts Neues, auch wenn es von unerwarteter Seite kam. Was sie aber Opfern von sexuellem Missbrauch und oft auch denen, die ihnen helfen wollten, damit angetan hat, war gravierend. Denn natürlich wurde ihre These mit Kusshand von patriarchalen (beispielsweise Justiz-)Kreisen aufgenommen. Beraterinnen wie ich kamen in die paradoxe Situation, Müttern in Sorgerechtsverfahren dringend zu raten, den Missbrauchsverdacht gegen den Kindesvater zu verschweigen, da dies erhebliche Nachteile für sie und das Kind haben könnte.

Sexueller Missbrauch an Kindern ist ein weit verbreitetes Verbrechen und keine hochgespielte feministische Erfindung, damit Frauen sich so schön als Opfer fühlen können (dass auch Heide Oestreich in dieses Horn bläst, enttäuscht mich sehr!). Natürlich sind in den 80er und 90er Jahren viele Fehler in der Intervention bei Missbrauch gemacht worden. Wie könnte es auch anders sein, bei einem so schwierigen Thema, zu dem es noch keine Handlungskonzepte gab. Wer anderen aber unterstellt, sie wollten sich mit einem Missbrauchsvorwurf nur wichtig machen, hat keine Ahnung davon, was das bedeutet. MAREN KOLSHORN, Göttingen