taz-serie: trend 2006
: Im nächsten Jahr werden wir alle besser essen – und vielleicht weniger

Am Jahresende wird Biofleisch knapp. „Ökoschnitzel sind zur Zeit ausverkauft“, sagt Thomas Dosch von Bioland. Verdorbenes Fleisch in Würstchen, Hühnergerippe in Tortellini – 2005 sei vielen Konsumenten der Appetit auf die herkömmlichen Produkte vergangen. Der Trend 2006: Gutes Essen wird schick.

Der Zukunftsforscher Matthias Horx prophezeit: „Wir werden nicht mehr alles essen, was in den Laden kommt.“ Lange glaubten die Deutschen, die Qualität an der Fleischtheke stimme und nur der Preis mache den Unterschied. Wer Schnitzel wollte, ging auf Schnäppchenjagd.

„Das Motto ,Hauptsache billig‘ ist überholt“, sagt Horx. Das hänge mit dem „neuen Unsicherheitszeitalter“ zusammen. Die Menschen trauten der Lebensmittelbranche nicht mehr. Sie hätten Angst vor giftigem Gemüse und gammeligem Fleisch und sehnten sich nach gesundem Essen. Dieses dürfe auch etwas mehr kosten. Das Leben werde deshalb nicht automatisch teurer. Zugleich gebe es nämlich „eine Revolte gegen das Zuviel“. Dem „Konsumüberfluss der letzten Jahre“ folge der „Konsumüberdruss“. Horx ist überzeugt: „Die Menschen leisten sich Bio.“

Zwar lebt nicht unbedingt gesünder, wer ins Ökoregal greift. Doch wird der Biobauer strenger überprüft als andere Landwirte. Er führt Buch darüber, woher sein Dünger kommt und womit er seine Kühe füttert.

Allerdings ist die Branche für den Kundenansturm nicht gewappnet. Bisher wird nur ein Prozent aller Schweine ökologisch gemästet. Bioland-Vertreter Dosch sagt: „Wir brauchen im nächsten Jahr mehr Ökoferkel.

Doch es dauert, bis Altgifte aus Vor-Bio-Zeiten aus dem Boden und den Ställen raus sind. Wer als Bauer auf Bioproduktion umsteigt, braucht eine Übergangszeit. Außerdem ist unklar, ob die umweltfreundliche Erzeugung von Fleisch und Getreide weiter staatlich gefördert wird.

Die Unterstützung für Biolandwirte gehört zur Agrarwende, die Ex-Verbraucherministerin Renate Künast propagiert hatte. Die Grünen-Politikerin wollte mehr „Klasse statt Masse“. Nachfolger Horst Seehofer aber hat nun eine andere Landwirtschaftspolitik angekündigt.

Der CSU-Mann sagt: „Für mich sind konventionell wirtschaftende Bauern genauso wichtig wie Ökobauern.“ Vielleicht noch wichtiger. Zum Beispiel beim Genmais. „Wir wollen die grüne Gentechnik fördern“, erklärt Seehofer. Vor zwei Wochen hat das Bundessortenamt Genmais zugelassen. Bauern, die sich von den schädlingsresistenten Pflanzen hohe Gewinne versprechen, können ihn nun im Frühjahr aussäen. Dabei lehnen 80 Prozent aller Verbraucher Lebensmittel aus dem Genlabor wegen der ungewissen Nebenwirkungen ab.

Die Risiken des Essens bleiben ohnehin Geheimsache. Zwar hat sich Seehofer beim Fleischskandal für ein neues Gesetz ausgesprochen, das den Verbraucher vor Unappetitlichem schützt. Doch das geplante Verbraucherinformationsgesetz löst den Anspruch nicht ein. Der Minister wird die Firmen nicht verpflichten, den Kunden alle Inhaltsstoffe zu verraten. Die Politik tischt 2006 Konventionelles auf – gegen den Trend. HANNA GERSMANN