Zirpsounds unterm Sternenhimmel

HYPE Meister der Reduktion und der Wechsel: Die Londoner Band The XX spielte gleich zwei ausverkaufte Konzerte an einem Abend

The XX sind keine Partyband, sondern eine, die Beziehungsprobleme behandelt. Und zwar auf seriöse Weise

Gelohnt hat es sich allemal. Die Londoner Band The XX, deren Debüt „X“ 2009 zu den stärksten Platten des Jahres zählte, spielte zwei (!) ausverkaufte Konzerte an einem Abend, und das nicht im Zimmer einer freundlichen Anglistik-WG im Wedding, sondern im Astra Kulturhaus in Friedrichshain.

Es lässt sich also, was diese Band betrifft, stetes Wachstum verzeichnen: Vom kleinen Eingeweihten-Gig im Magnet Club im Juni über ein ausverkauftes Lido im Herbst bis zu diesem furiosen Neustart im Januar. Dabei, das ist jetzt vielleicht die wichtigste Meldung, ist die Band nur noch zu dritt: Baria Quereshi, Keyboarderin und Gitarristin, ist nach Erschöpfung und Differenzen inzwischen ausgestiegen. Die Schattenseiten des Hypes. Der Rummel ist ihr zu heftig geworden, hieß es hinter den Kulissen.

Das Erstaunliche an dem ersten der beiden Abendkonzerte von The XX aber war, dass Quereshis Fehlen gar nicht besonders auffiel. Die Surfgitarre von Romy Madley Croft füllte die Leerstellen ohne Umstände, Tastendrummer Jamie Smith bediente auch die Keyboards, wenn nicht Croft und Bassist Oliver Sim einsprangen. Der Sound der Band ist auch keineswegs dünner geworden. Und selbst wenn: Reduktion ist immer noch Teil des Programms.

Die Tracks der Platte, die auch am Freitagabend bis auf eine Ausnahme das Set darstellten, sind auf Reduktion, auf Auslassung, auf Pausen, auf Dramatik gebaut. Von „Crystalized“ bis „Infinity“ beherrschen die Wechsel die Songs, die Wechsel zwischen der Surfgitarre, dem Basslauf, dem wunderschönen und auch live hervorragend umgesetzten Doppelgesang von Croft und Sim und eben die spartanisch, dann aber umso kräftiger eingesetzten Beats, die Smith live in die Tasten haute.

Durch den Wegfall von Quereshi, der kleinen Londonerin mit indischem Hintergrund, rückte Smith jetzt in die Mitte der Bühne. Was folgerichtig schien: Die Beats scheinen einfach zu sein, geben aber der zwischen New Wave (à la Cocteau Twins und Young Marble Giants) und Neosoul (wie vielleicht von Tricky oder Soul II Soul) austarierten Musik der Band den richtigen Drive. Den Hau. Den Kick. Entsprechend wurden die Einsätze gefeiert in der Halle. Und zum Feiern gibt die Band sonst wenig Anlass – The XX sind keine Partyband, sondern eine, die Beziehungsprobleme behandelt. Und zwar auf seriöse Weise. Kalte Musik, warme Texte.

Auch sonst zeigte sich die Band fortschrittlich. Das knappe Material, ergänzt durch eine Coverversion von „Do You Mind“ (im Original von Kyla), wurde ordentlich variiert, gestützt, mit neuen Intros und Outros versehen und nach anfänglicher Zurückhaltung perfekt rübergebracht. Es gab neue Zirpsounds und fett warmes Bühnenlicht, Fliederfarben, Aquariumtöne, zum Schluss einen Sternenhimmel. Gute Lichtarbeit, die die Kühle der Musik und die natürliche Reserviertheit der Band gut ausgleichen konnte.

Nach einer knappen Stunde hatte die Band ihr Soll erfüllt. Der Raum war kristallisiert, die Kälte wartete draußen, ebenso die zweite Menschenmenge. Nächste Station in dieser Stadt: Wuhlheide.

Parallel zu den beiden Konzerten fand übrigens die Vernissage einer kleinen Soundinstallation des Künstlers Saam Farahmand statt. Heute, Montag, noch geöffnet. Wer sich also beeilt, kann die Band noch einmal erleben: Zu Säulen erstarrt. Viel zu sehen gibt es nicht. Es sind tatsächlich nur drei Säulen, zu einem Kreis aufgestellt, in dem sich je ein Bildschirm und ein Lautsprecher befinden. Jeder nur eine Säule.

RENÉ HAMANN

■ „XX – A Sculpture of the Album“ in der Galerie HBC, Karl-Liebknecht-Straße 9, nur noch heute von 12 bis 21 Uhr